© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/09 19. Juni 2009

Gesellschaft ohne Zukunft
Eine Kritik des Alters
Marcus Schmidt

Kaum etwas macht die Vergreisung des Landes deutlicher als der Babyausstatter, der sein Programm um ein Sortiment für alte Menschen erweitert, weil mit dem einen immer weniger, mit dem anderen dagegen immer mehr zu verdienen ist. Der Publizist und langjährige FAZ- und Welt-Redakteur Konrad Adam beschreibt in seinem eindringlichen Essay „Der kurze Traum vom ewigen Leben“ mit diesem Beispiel den dramatischen demographischen Niedergang in Deutschland.

Adam reiht sich nicht in den Chor derer ein, die allein die Kinderlosigkeit und die stetig sinkende Geburtenrate beklagen. Seine Schrift ist vielmehr ein düsteres Plädoyer gegen die Verherrlichung des Alters. Den arbeitsfreien Lebensabend, der heute als „schönste Zeit des Lebens“ verklärt wird und an dem eine wachsende Alten-Industrie gut verdient, holt er auf den Boden der Tatsachen zurück und benennt ihn als das, was er von Natur aus ist: eine Phase des Niedergangs. Er setzt den Hochglanzprospekten, die den Senioren einen konsumorientierten und hyperaktiven Lebensabend versprechen, das Bild von in Altenheimen dahinvegetierenden Greisen entgegen und plädiert für ein würdevolles Sterben. Er wendet sich dabei gegen die verbreitete Vorstellung, das Leben sei immer und zu jedem Preis lebenswert, und kritisiert jene, die den Menschen die Entscheidung zu sterben abnehmen wollen, etwa im Streit um die Patientenverfügung. Dies liest sich mitunter verstörend.

Adam verbreitet indes wenig Hoffnung und läßt erkennen, daß die deutsche Gesellschaft, in der es immer mehr alte und immer wenige Junge geben wird, kaum eine Zukunft hat. Seine Kritik an all jenen „Altenpriestern“, die diese Entwicklung eingeleitet und befördert haben, und vor allem an jenen, die von ihr profitieren, ist scharf. Mehr als einmal ist in diesem Zusammenhang von Ausbeutung und Schmarotzertum die Rede.

Die Kritik wirkt um so glaubwürdiger, da Adam selbst schon 67 Jahre alt ist. Es geht ihm auch nicht um eine Verdammung der Alten. Er verliert nicht aus dem Blick, daß die, die heute auf Kosten der immer kleiner werdenen jungen Generationen leben, in ihren jungen Jahren hierzu selbst die Weichen gestellt haben. Exemplarisch zitiert er den Achtundsechziger Gerd Koenen, der rückblickend feststellte: „Mit unserer Generation begann die Ära der modernen Kinderlosen oder Alleinerziehenden.“ Damit, so verdeutlicht Adam, ist keine Zukunft zu machen.     

Konrad Adam: Der kurze Traum vom ewigen Leben. Eine Gesellschaft ohne Zukunft. Verlag Manuscriptum,  Waltrop und Leipzig 2009, gebunden, 78 Seiten, 8,80 Euro

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