© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/09 12. Juni 2009

Frisch gepresst

Gustav Landauer. Als Wolfgang Kalz 1967 eine Studie über den sozialistischen Anarchisten Gustav Landauer (1870–1919) veröffentlichte, hätte sein Held als Linker, Utopist und – Opfer eine ideale 68er-Identifikationsfigur abgeben können, denn Landauer, „Volksbeauftragter für Kulturangelegenheiten“ in der ersten bayerischen Räterepublik unter Kurt Eisner, wurde nach der Befreiung Münchens und dem gewaltsamen Ende des Räteexperiments von Freikorpssoldaten im Gefängnis Stadelheim liquidiert. Trotzdem war Kalz’ Landauer-Deutung kein großer Widerhall vergönnt, obwohl die „Studentenrevolution“ tatsächlich zu einer bescheidenen Wiederbelebung des längst eingeschlafenen Interesses an diesem unorthodoxen Sozialisten führte. Stärkere Resonanz hätte Kalz in diesem Umfeld nur gewonnen, wenn er „seinen“ Landauer dem linken Zeitgeist „eindeutiger“ übersetzt hätte. Statt dessen betont er die „gemeinschaftlichen“, auf Wiederherstellung der „Synthese von Freiheit und Gebundenheit“ (Peter Brandt) in überschaubaren, solidarischen Bünden zielenden Intentionen der Landauerschen Sozialutopie, die sich in ihrer antikapitalistischen, anti-westlichen Stoßrichtung auch national buchstabieren läßt. Kalz’ Autorschaft nach 1967 als Beiträger von Criticón und der Staatsbriefe Hans-Dietrich Sanders scheint damit schon prädisponiert. Nun, gut vierzig Jahre später legt er erneut den überarbeiteten Text vor, die skeptische Frage nicht unterdrückend, ob Landauer heute noch „irgend Förderliches zur Lösung der anstehenden Fragen und der Fülle der zutage liegenden Absurditäten“ beitragen könnte (Gustav Landauer. Ein deutscher Anarchist, Federsee-Verlag, Bad Buchau 2009, broschiert, 268 Seiten, 15 Euro).

Oswald Spengler. Die Angebote bei ZVAB sind überschaubar, wollte man sich die sieben grundlegenden Texte des Geschichtsphilosophen Oswald Spenglers beschaffen, in denen der „Meisterdenker der Konservativen Revolution“ (Alexander Demandt) zwischen 1919 („Preußentum und Sozialismus“) und dem Vortrag im Düsseldorfer Industrie-Club im November 1926 („Das heutige Verhältnis zwischen Weltwirtschaft und Weltpolitik“) erstaunliche analytische Diagnosen und Prognosen aufstellte. Die Versandbuchhandlung Manuscriptum hat diese Textsammlung nun in unveränderter Form aufgelegt, einzig um einen Essay des linken Politologen Uwe Simson bereichert, der es schon allein aufgrund Spenglers fast prophetischer Voraussagen – so zum Beispiel des raschen Wandels roter Funktionäre zu Aktionären im postsowjetischen System – für gerechtfertigt hält, den „umstrittenen“ Geist und Künder vom „Untergang des Abendlands“ aus seiner Pariastellung zu erlösen (Politische Schriften 1919–1926. Waltrop und Leipzig 2009, gebunden, 335 Seiten, 19,80 Euro).

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