© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/09 12. Juni 2009

Gedeckt aus dem linken Establishment
Der Journalist Jürgen Schreiber erinnert an Monika Ertl, die den Mörder des Revolutionsführers Ernesto „Che“ Guevara 1971 in Hamburg erschoß
Michael Johnschwager

Der Autor erinnert sich der stürmischen Zeiten der Außerparlamentarischen Opposition (Apo) bei der Aufarbeitung des Mordes an einem Generalkonsul der Republik Bolivien in Hamburg Anfang April 1971.

Die näheren Umstände der Tat konnten noch immer nicht vollends aufgeklärt werden. Zwar steht als Täterin Monika Ertl fest, deren erklärtes Ziel es war, den Tod des Revolutionsführers Ernesto „Che“ Guevara zu rächen. Die Aktivistin des Nationalen Befreiungsheers (Ejército de Liberación Nacional /ELN) ist die älteste von drei Töchtern des Dokumentarfilmers Hans Ertl. Dieser hatte bereits als junger Kameramann in der Mannschaft von Leni Riefenstahl auf sich aufmerksam gemacht. Wenige Jahre nach Kriegsende nimmt Hans Ertl eine neue Herausforderung an und emigriert nach Bolivien.

Im ersten Teil seines Buches erwähnt Schreiber auch die in Deutschland beachteten Dokumentationen des talentierten Filmschaffenden über den bolivianischen Dschungel. Hier setzt Ertl auf die effiziente Unterstützung seiner attraktiven Ältesten, Monika. Wir erfahren, wie ihr Vater im Verlauf der Jahre zusehends die Züge eines merkwürdigen Kauzes annimmt. Dabei bleibt er dominant, aber auch Monika ist ein Alpha-Tier. Die unausweichliche Entfremdung zwischen den beiden manifestiert sich in handfesten Konflikten.

Die Ertls haben ihren anerkannten Platz in der deutschen Kolonie der Hauptstadt La Paz. Die aufgeweckte Monika hat jedoch einen ungetrübten Blick für die krassen sozialen Gegensätze des Landes, wo die Urbevölkerung der Indios ein trost- und chancenloses Dasein fristet. Monika will ihren Beitrag zur Verbesserung der Lebensumstände dieser Benachteiligten leisten, indem sie sich der Guerilla anschließt. Der endgültige Bruch mit dem patriarchalischen Ertl ist damit besiegelt, desgleichen ihre gesellschaftliche Ächtung in der deutschen Kolonie der Andenrepublik.

Bei der Verfolgung von Che Guevara spielt der Geheimdienstler Roberto Quintanilla P. eine führende Rolle. Mit seiner tatkräftigen Unterstützung gelingt es den Militärs, „Che“ gefangen zu nehmen. Nach der Exekution posiert Quintanilla voller Stolz auf dem Beweisfoto mit dem verhaßten Top-Guerillero. Damit steht er im Fadenkreuz der ELN. Zwecks seiner Beseitigung fällt die Wahl auf Monika Ertl. Die Regierung Boliviens weiß um die Gefährdung Quintanillas. Um ihn aus der Schußlinie zu nehmen, „belohnt“ man den Geheimdienstler mit einem vermeintlich sicheren Posten als Generalkonsul in Hamburg – ein tödlicher Irrtum, wie die Schüsse am 1. April 1971 im Generalkonsulat in der Heilwigstrasse 125 zeigen sollten.

Es liest sich spannend, wie in der Hansestadt die Fäden der Beteiligten aus der abgelegenen Indiorepublik zusammenlaufen. Auch Monika hat hier Fuß gefaßt, fasziniert von den zahlreichen Demos und Hausbesetzungen mit SDS, Apo & Co. Und allem Anschein nach ist es das fein gesponnene Netzwerk einer Hamburger Kommune, das es ihr ermöglicht, unerkannt unterzutauchen. Monika Ertl paßt nicht ins Bild, welches in der Öffentlichkeit von einer Terroristin mit Tötungsabsicht vorherrscht. Es ist ihr erster Anschlag, und sie hinterläßt jede Menge Spuren am Tatort.

Ist es ihre perfekte Mimikry, ihre großbürgerliche Attitüde, daß man ihrer in Deutschland nicht habhaft wird? Oder sollte es auch daran gelegen haben, daß es Mitarbeiter in den Sicherheitsbehörden gab, die sich selbst eine etwas zögerliche Behandlung bei der Verfolgung auferlegt hatten? Die Reaktionen auf den Generalkonsul mit geheimdienstlichem Hintergrund bewegten sich seinerzeit zwischen allergisch und tief empfundener Abscheu. Das Buch gibt Aufschluß über die damals bereits globalisierten Verbindungen, derer sich die Linke zu bedienen wußte. Dabei handelte es sich nicht nur um Aktivisten an der Basis. Vielmehr treten auch Mitspieler aus dem „Establishment“ auf den Plan. An dieser Stelle sei der später beim Hantieren mit Sprengstoff ums Leben gekommene vermögende Mailänder Verleger Giangiacomo Feltrinelli genannt.

Nach ihrer Heimkehr nach La Paz war es dann nur noch eine Frage der Zeit, daß die Militärs ihrerseits Rache nahmen an der Rächerin. Monika Ertl starb gleichfalls eines gewaltsamen Todes. Sie wurde in einen Hinterhalt gelockt, von Kugeln durchsiebt wie zuvor ihr Idol Che Guevara und dessen gnadenloser Verfolger.

Jürgen Schreiber: Sie starb wie Ché Guevara. Die Geschichte der Monika Ertl. Patmos Verlag, Düsseldorf 2009, gebunden, 288 Seiten, 19,90 Euro

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