© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/09 29. Mai 2009

Die Kleinen greifen nach den Sternen
Europawahl I: Für einige der zahlreichen Kleinparteien wäre bereits das Erreichen der Wahlkampfkostenerstattung ein Erfolg
Hans Christians

Mit den Wahlen zum Europäischen Parlament geht das Superwahljahr 2009 in seine heiße Phase. Auch wenn die Wahlforscher derzeit eine Europa-Müdigkeit prognostizieren und eine geringe Wahlbeteiligung befürchten, der Motivation der zahlreichen Kandidaten tut dies keinen Abbruch.

31 Parteien und Wählervereinigungen bewerben sich um die 99 deutschen Sitze im Straßburger Parlament, doch neben den im Bundestag vertretenen Parteien dürften nur wenige Formationen Aussichten auf ein nennenswertes Resultat haben. Das Gedränge auf dem Wahlzettel ist deshalb so groß, weil die formalen Hürden mit 4.000 deutschlandweiten Unterstützungsunterschriften relativ gering sind. Und ab einem Ergebnis von 0,5 Prozent nehmen die Parteien an der staatlichen Parteienfinanzierung teil. Vor fünf Jahren entfielen immerhin 9,8 Prozent auf die Sonstigen, die geringe Wahlbeteiligung von nur knapp 44 Prozent tat ihr übriges.

Buhlen um die Stimmen der Rentner

„Favorit“ unter den kleinen Parteien sind ohne Zweifel, die „Freien Wähler“, die vor gut einem halben Jahr die absolute CSU-Mehrheit in Bayern brachen und mit der „schwarzen Rebellin“ Gabriele Pauli (JF 21/09) eine bekannte Persönlichkeit ins Rennen schicken. Auch wenn derzeit keine genauen Prognosen bezüglich des Abschneidens der Freien vorliegen – ein Achtungserfolg dürfte bei dem ersten bundesweiten Wahlantritt sicher sein. Auf ein ähnliches Resultat hofft mit den rechtskonservativen Republikanern auch die einzige Partei unter den Sonstigen, die schon einmal im EU-Parlament vertreten war. 1989 schaffte die CSU-Abspaltung mit 7,1 Prozent den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde, in diesem Jahr wäre die Partei, deren Liste erneut von der stellvertretenden Bundesvorsitzenden Uschi Winkelsett angeführt wird, wohl mit einer Wiederholung des Ergebnisses von 2004 (1,9 Prozent) zufrieden.

Positiv könnte für die Republikaner ins Gewicht fallen, daß sie mit Listenplatz sechs aussichtsreich plaziert sind sowie die nennenswerte Konkurrenz im rechten Spektrum auf die Deutsche Volksunion (DVU) beschränkt ist. Die aus der ehemaligen Schill-Partei hervorgegangene Freie Bürger Initiative (FBI) dürfte ebensowenig für eine Überraschung gut sein wie die Partei mit dem Bandwurmnamen „Ab jetzt Bündnis für Deutschland, für Demokratie durch Volksabstimmung“ des Ex-Republikaners Helmut Fleck, die vor fünf Jahren immerhin die „magischen“ 0,5 Prozent erreichte.

Überraschende 1,3 Prozent erzielte beim letzten Urnengang die Partei „Mensch – Umwelt –Tierschutz“, die sich für europaweite Tierschutzkonventionen einsetzt. Gleich vier Parteien streiten sich um die Konkursmasse der Seniorenpartei „Die Grauen“, die 2004 1,2 Prozent erzielte und nach einem Finanzskandal 2008 aufgelöst wurde. Doch die Aufsplitterung in „Die Grauen – Generationspartei“, „50 Plus – Generationenbündnis“, „Rentnerinnen- und Rentnerpartei“ sowie „Die Rentnerpartei“ dürfte ausschließen, daß Stimmen der Senioren ein Gesicht in Straßburg erhalten.

Traditionell am Start sind die föderalistisch geprägte Bayernpartei, die trotz ihres regionalen Anspruchs mit einer Bundesliste antritt, die liberal-ökologische ÖDP, die bodenständige Familienpartei, die vor fünf Jahren bei den Landtagswahlen im Saarland mit drei Prozent einen Achtungserfolg erzielte, oder die obskure „Bürgerrechtsbewegung Solidarität“ von Helga Zepp-Larouche, die vor Jahren noch unter dem klangvollen Namen „Patrioten für Deutschland“ antrat. Ebenfalls fast schon zum Inventar gehören die Ultras der Deutschen Kommunistischen Partei, die allerdings seit der bundesweiten Etablierung der Linkspartei deutlich an Strahlkraft verloren haben und mit den Genossen der „Partei für Soziale Gerechtigkeit“ um das verbliebene Häuflein linksextremer Nostalgiker buhlen.

Auf die Stimmen von frustrierten CDU/CSU-Anhängern hoffen die Christliche Mitte sowie die Partei Bibeltreuer Christen, die bereits seit Jahren ohne größere Aufmerksamkeit im Geschäft sind. Ein Paradiesvogel unter den Kandidaten ist zweifelsohne die Vereinigung „Europa – Demokratie – Esperanto“, die nicht etwa, wie der Name vermuten läßt, gegen die Einheitswährung Euro agiert, sondern die mittels der Kunstsprache Esperanto eine bessere Kommunikation innerhalb der EU erreichen will. Die Partei, die in 17 Ländern über Stützpunkte verfügt, hat sich bisher außer in Deutschland jedoch nur in Frankreich und Ungarn als Wählervereinigung konstituiert. Eine ähnliche Ausrichtung besitzen die „Newropeans“, die sich als erste transeuropäische Partei verstehen und neben ihrer Kandidatur in Deutschland auch in den Niederlanden und Frankreich auf dem Stimmzettel stehen werden. Supranational agieren auch die Aktivisten der Piratenpartei, die sich für freie Forschung und Wissenschaft einsetzen und deren Ziele ebenso folkloristisch anmuten wie die der „Violetten“, die für die Einflüsse spiritueller Erkenntnisse in die politischen Prozesse kämpfen. Als absolut chancenlos gilt neben dem „Aufbruch für Bürgerechte“ auch die Partei „Für Volksentscheide“, die immerhin mit dem erst 18 Jahre alten Schüler Norbert Hense den mit Abstand jüngsten Spitzenkandidaten stellt.

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