© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/09 15. Mai 2009

„Das sollen erstmal die Amerikaner nachmachen!“
DDR 2.0 oder Die deutsche Frage und das Jahr 1989: Das 17. Berliner Kollege des Instituts für Staatspolitik fand im Ausnahmezustand statt
Clemens Taeschner

Das 17. Berliner Kolleg des Instituts für Staatspolitik (IfS) am vergangenen Sonnabend stand unter dem Titel „Die deutsche Frage und das Jahr 1989“. Laut Untertitel ging es um ein „Deutschland zwischen Sonderweg und Anpassung“. Tatsächlich handelte es sich an jenem Tag um ein Land unter konspirativem Ausnahmezustand – ein frustrierter Teilnehmer aus Hamburg sprach, stellvertretend für viele, halb­ironisch von „DDR 2.0“.

Denn bevor das Kolleg beginnen konnte, war eine „Schnitzeljagd durch halb Berlin“ erfolgt. So sah es IfS-Geschäftsführer Erik Lehnert. Der Grund: Auf „antifaschistischen“ Druck hin hatte der ursprüngliche Vermieter, die GLS-Sprachschule im Stadtbezirk Prenzlauer Berg, die Räumlichkeit am Donnerstagabend telefonisch gekündigt. Als Grund gab deren Leiterin an, „mal gegoogelt“ zu haben: „Sie sind umstritten“, so ihre Begründung. Ausschlaggebend für die Kündigung in letzter Minute dürfte wohl die Drohung „antifaschistischer“ Kreise gewesen sein. So hatte am 5. Mai – zwei Tage vor  Bekanntgabe des Veranstaltungsortes – das Internetportal Blick nach rechts den Termin öffentlich gemacht. Das daraufhin gewählte Ausweichquartier, betrieben von einem Korporierten, wurde – kaum war der Ort kommuniziert worden – sogleich wieder von diesem gekündigt, nachdem Anrufer ihm mit „massiven Protesten“ gedroht hätten. Als wäre sein Rückzieher nicht genug, distanzierte sich der Geschäftsführer auch noch mit einer Pressemitteilung vom IfS, das ihn angeblich weder „über die wahren Hintergründe des kurzfristigen Wechsels (...) noch über den Charakter der Veranstaltung informiert“ habe.

Wenngleich Lehnert zu Recht auf den Unterschied zur DDR hinwies, wo die Unfreiheit vom Staat ausging, während sie hier „von der Zivilgesellschaft“ exekutiert werde, bleibt doch zu erinnern, daß der Anstoß zur Ausgrenzung wieder einmal von dem mit öffentlichen Geldern finanzierten Blick nach rechts  kam, der – herausgegeben vom sozialdemokratischen Vorwärts-Verlag – unter der Schirmherrschaft von Ute Vogt steht, Mitglied des SPD-Präsidiums. Schließlich fand sich – zuletzt von Polizeischutz begleitet – eine verlassene Fabriketage auf einem Hinterhof in Berlin-Kreuzberg.

Der Wirtschaftsrechtler Menno Aden, Vorsitzender der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft in Hamburg, wies in seinem Vortrag „Deutscher Patriotismus im heutigen Europa“ auf ein historisch verändertes Selbstverständnis hin. So sei im 19. Jahrhundert „nationales Interesse“ ausschließlich als kolonialer Landerwerb betrachtet worden. Tatsächlich aber verkörperten sich Nationalinteressen viel eher in dem Erfolg „weicher“ Entwicklungen. So sei das 19. Jahrhundert wissenschaftsgeschichtlich ein „deutsches Jahrhundert“ gewesen. Das heute kaum beachtete Exportergebnis Deutschlands zeige sich beispielsweise in der Schulpflicht, der ersten Zeitung (im damals noch deutschen Straßburg), den Bismarckschen Sozialgesetzen und der „sensationellen Karriere des deutschen Rechts“ in Form des BGB. Wie zum Beweis zitierte Aden auch einen Kasachen: „Zwei Kriege verlieren und Mercedes fahren, das sollen erstmal die Amerikaner nachmachen!“ Statt mit dem Vertriebenenschicksal zu hadern, so Aden weiter, sollte das neue EU-Recht genutzt werden, das es erlaube, in Polen Grundstücke zu erwerben.

Der langjährige Leiter des Gesamtdeutschen Instituts, Detlef Kühn, wies in seinem Vortrag über die einstigen Gegner und Befürworter der deutschen Einheit auf den grotesken Umstand hin, daß es ausgerechnet Historiker waren, die – häufiger als jede andere Berufsgruppe – an der „Unveränderbarkeit der Zweistaatlichkeit“ festhielten. Selbst Bundeskanzler Helmut Kohl hatte seinerzeit das Buch „Einheit statt Raketen“ (1987) des Parteifreunds Bernhard Friedmann, später Präsident des Europäischen Rechnungshofes, als „blühenden Unsinn“ abgetan.

Der Philosoph Steffen Dietzsch (Humboldt-Universität) raste in einem Parforce-Ritt durch sein Sujet, das „Von den Gründen der DDR und ihres Zusammenbruchs“ handelte. In der „Idee der sozialen Erlösung“ – der Enteignung des Privateigentums – sah Dietzsch den „spirituellen Grund“ und die „theologische Basis“ des Sozialismus, die nichts anderes gewesen sei als ein „antiaufklärerischer Fundamentalismus“, die „Ablösung des Politischen durch eine Heilslösung“.

Der Historiker Karlheinz Weißmann schließlich betrachtete die „Die Deutsche Frage als die Frage der Anderen“. Ursprünglich aufgetaucht sei diese mit dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches Anfang des 19. Jahrhunderts. Das Schicksal, keine staatliche Einheit mehr zu repräsentieren, habe Deutschland damals mit Italien und Polen geteilt. Die letzte nationale Debatte habe es 1989/90 gegeben, als erstmals der Begriff „Berliner Republik“ fiel. Wie gefährlich das schon wieder war, davor warnten seinerzeit zwei Verfassungsschutzberichte auf Länderebene. Die sahen in der „Berliner Republik“ ein Merkmal für rechtsextremes Denken. Der SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel sekundierte: Wer diesen Begriff verwende, oute sich als Verfassungsfeind.

Kontakt: Institut für Staatspolitik, Rittergut Schnellroda, 06268 Albersroda, Tel./Fax: 03 46 32 / 9 09 42, Internet: www.staatspolitik.de 

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