© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/09 08. Mai 2009

Wirkungslos und schädlich
Weltwirtschaftskrise: Die teuren Konjunkturprogramme taugen nichts / Krisenursache ist die Niedrigzinspolitik
Klaus Peter Krause

Was 2007 als sogenannte Subprime-Krise in den USA begann, hat sich inzwischen von einer Finanz- zur Weltwirtschaftskrise ausgeweitet. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg gibt es einen globalen Einbruch der Wirtschaftsleistung, der immer mehr Branchen und alle Weltregionen betrifft. Um den dramatischen Niedergang zu überwinden, haben alle Industrie- und Schwellenstaaten fiskalpolitische Konjunkturpakete mit teilweise gigantischen Ausgaben auf den Weg gebracht – es ist der größte staatliche Geldeinsatz aller Friedenszeiten. Aber was taugen die Konjunkturpakete? Sind sie in diesem beispiellosen Ausmaß überhaupt gerechtfertigt?

Viele Ökonomen halten die Programme mit der immensen staatlichen Neuverschuldung in dieser Lage für notwendig. Der US-Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman verlangt von den EU-Ländern sogar, daß sie noch größere Summen in ihre Konjunkturpakete stecken und die Wirtschaft – wie es die USA unter Präsident Barack Obama tun – noch aggressiver ankurbeln. Aber es gibt auch Widerspruch. Ein renommierter Kritiker ist der Wirtschaftswissenschaftler Stefan Homburg, Professor an der Leibniz-Universität Hannover und dort Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen. Er kommt zu einer Lagebeurteilung, die von der inzwischen vorherrschenden Meinung in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft abweicht: Homburg lehnt die schuldenfinanzierten Milliarden-Programme ab.

Das frühere Mitglied des Nachhaltigkeitsrats der Bundesregierung sieht die eigentliche Ursache des Wirtschaftseinbruchs nicht in den Zahlungsschwierigkeiten amerikanischer Hypothekenschuldner und noch weniger in einer allgemeinen Kreditklemme. Für ihn hat dieser (wenn auch starke) Abschwung denselben Grund wie alle vorangegangenen Rezessionen: nämlich die Niedrigzinspolitik. Die verführt dazu, langfristige Projekte fortlaufend mit kurzfristigen Krediten zu finanzieren, weil die billiger sind als langfristige („Revolving-System“). Kippt die Zinsstruktur – ausgelöst durch die Zentralbanken – um, so daß die kurzfristigen Zinssätze über den langfristigen liegen (inverse Zinsstruktur), geraten die Schuldner in die Klemme. Ihre Kredite sind jetzt teurer als kalkuliert. Fehlt es ihnen an Geld, um sie zu bedienen, stecken sie in der Liquiditätsfalle. Konkurse sind die Folge.

Der Niedrigzinspolitik folgte nach Homburgs Feststellung stets eine scharfe monetäre Restriktion. Dadurch waren die kurzfristigen Zinssätze vorübergehend höher als die langfristigen. Solche inversen Zinsstrukturen hätten in der Vergangenheit regelmäßig Rezessionen ausgelöst und seien meist von Finanzmarktturbulenzen begleitet worden: „Das ist überhaupt nichts Neues“, sagte Homburg anläßlich des 12. Konjunkturpolitischen Kolloquiums bei der Bundesbank in Frankfurt, veranstaltet von der Herbert-Giersch-Stiftung und dem Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Beispielhaft läßt sich diese Ursachenerklärung daran zeigen, wie die kurz- und langfristigen Zinssätze in den USA verlaufen sind. Von 1999 an hatte dort die Notenbank (Federal Reserve/Fed) ihren geldpolitischen Kurs verschärft. Das führte zu einer inversen Zinsstruktur im Herbst 2000. Diese brachte schließlich die Dotcom-Spekulationsblase der „New Economy“ zum Platzen und löste eine Rezession aus.

Von 2002 bis 2004 betrieb die Fed erneut eine extreme Niedrigzinspolitik; die kurzfristigen Zinssätze unterschritten die langfristigen erheblich. Amerikanische Banken vergaben langfristige Kredite, die sie kurzfristig und variabel verzinslich finanzierten. Es kam zu den Subprime-Hypotheken vom Ninja-Typ („no income, no job or assets“ bei den Schuldnern). Extreme Fristentransformation durch nur wenig regulierte Banken und außerbilanzielle Zweckgesellschaften mit nur wenig Eigenkapital wurden zum „Geschäftsmodell“.

Als dann im Herbst 2006 die Fed den US-Leitzins (Federal Funds Rate) stark heraufsetzte, führte das wiederum zur inversen Zinsstruktur. Zahlungsausfälle bei den Schuldnern der Ninja-Hypotheken waren die Folge. Jene Geschäftsmodelle brachen zusammen, und das Platzen dieser Schuldenblase weitete sich zum gegenwärtigen Desaster aus – mit inzwischen globalen Folgen.

Auch am Beispiel Deutschland zeigt Homburg, daß die inversen Zinsstrukturen der Jahre 1973 bis 1974, 1979 bis 1982, 1991 bis 1995 und 2001 den Rezessionen 1975, 1981, 1993 und 2005 vorangegangen sind. Nur bei der inversen Zinsstruktur vom Oktober 1989 sei das wegen des Mauerfalls anders gewesen. Zur Bekräftigung verweist er auf den 2006 verstorbenen US-Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman. Dessen zentrale These, Abschwünge würden regelmäßig durch eine restriktive Geldpolitik ausgelöst, decke sich exakt mit seinem eigenen Befund.

Homburg meinte auf dem Frankfurter Kolloquium, man sollte die derzeitige Lage nicht dramatisieren. Dort hat er neben seinen Ausführungen zur Krisen­ursache diese Thesen vorgetragen:

- Fiskalpolitik mit Konjunkturprogrammen ist makroökonomisch wirkungslos.

- Selbst wenn die Programme wirksam wären, sind sie gegenüber der Geldpolitik das schlechtere Instrument, denn billigeres Geld erhöht die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ohne crowding-out-Effekt, also ohne private Investitionen durch staatliche Aktivitäten zu verdrängen.

- Fiskalpolitik ist mikroökonomisch schädlich, denn staatliche Konjunkturprogramme erzeugen zusätzliche Schocks, die in den Märkten Anpassungsbedarf erzeugen und Alternativausgaben abwürgen. Die offiziell „Umweltprämie“ genannte Abwrackprämie für oft noch gar nicht altersschwache Autos freut beispielsweise Kleinwagenhersteller und -händler. Gleichzeitig legt der schuldenfinanzierte 2.500-Euro-Bonus den Gebrauchtwagenmarkt lahm – das schlägt durch auf die Autoreparaturwerkstätten und auf den Kfz-Teilehandel.

Homburgs Fazit ist daher: Non-Aktionismus wäre besser gewesen, gesiegt hat aber allgemeine Gier, gesiegt hat das Partialdenken der Volkswirte – und dies ist eine Niederlage der Nationalökonomie. Er hält es auch für unerklärlich, warum Konjunkturprogramme in den ungleich schwierigeren Jahren 2001 bis 2004, als die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland auf über fünf Millionen gestiegen war, kein Thema gewesen sind. Aber jetzt lägen bei rund 3,5 Millionen Arbeitslosen die Nerven blank. Oder mit anderen Worten: Die Konjunkturprogramme taugen nichts und sind daher nicht gerechtfertigt – schon gar nicht in diesem Ausmaß.

Foto: Anhaltende Krisenwellen: Fiskalpolitik mit Konjunkturprogrammen ist makroökonomisch wirkungslos

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