© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/09 08. Mai 2009

„Das ist mein Heimatland“
Der Unternehmer Wolfgang Grupp produziert nur in Deutschland – Eine Erfolgsgeschichte
Moritz Schwarz

Herr Grupp, nach den Maßstäben moderner Unternehmensberatung dürfte es eine Firma wie Trigema gar nicht geben.

Grupp: Seit vierzig Jahren mache ich angeblich alles falsch. Eine Unternehmensberatung dürfte bei mir nicht ins Haus kommen, denn sonst müßte ich als erster meinen Platz räumen. Wenn ein Fremder mir auf Anhieb Fehler nachweisen könnte, wäre ich sicher fehl am Platze.

Ihre erste Todsünde: Sie produzieren ausschließlich im Hochlohnland Deutschland.

Grupp: Nehmen Sie zum Beispiel die Firma Schiesser. Dieser Wäschehersteller war eine Goldgrube, als er ausschließlich in Deutschland produzierte. Als er meinte, seine 3.500 Produktionsarbeitsplätze in Deutschland abbauen und Millionen im Ausland investieren zu müssen, ging es ihm nicht besser, sondern im Gegenteil immer schlechter. Heute ist er insolvent. Ich kannte natürlich viele Textilproduzenten; fast alle waren sie gestandene Millionäre, als sie ausschließlich in Deutschland produzierten. Ich kenne keinen, der reicher geworden wäre, seit er im Ausland fertigen läßt, aber viele, die wesentlich ärmer geworden oder von der Bildfläche verschwunden sind wie Steilmann, Jockey, Schiesser und viele mehr.

Schiesser ist allerdings nicht an seinen Auslandsinvestitionen gescheitert, sondern weil man „aus der Unterhose mehr machen wollte, als sie ist“, wie ein Kritiker schrieb: Man hat mit Unterhosen für Boss oder Ralph Lauren Schulden gemacht.

Grupp: Das kommt sicher noch dazu. Aber das alles hat den gleichen Ursprung, nämlich den Größenwahn! Früher war die höchste Unternehmertugend die Verantwortung für das Unternehmen und damit für die Mitarbeiter, heute frönt man dem Größenwahn.

Haben Sie überlegt, Schiesser zu übernehmen?

Grupp: Am Tag der Insolvenz wurde ich von der Presse angerufen und danach gefragt. Aber ich bin nicht so größenwahnsinnig, zu glauben, die Probleme eines anderen übernehmen zu müssen. Dieser Größenwahn hat vielen Firmen große Sorgen bereitet, denken wir nur an die Merckle-Gruppe oder an die Firma Schaeffler oder natürlich auch an Daimler Benz mit seinem Ziel, Technologiekonzern zu werden, und den Übernahmen von AEG, Focker, Chrysler usw. Viele versuchen, hinter der Größe ihre eigentliche Schwäche zu verbergen.

Wie meinen Sie das?

Grupp: Wenn ich morgen 12.000 statt 1.200 Mitarbeiter beschäftigen würde und Produktionsstätten nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in Hamburg, Rumänien oder vielleicht auch Asien hätte, dann könnte ich mein Unternehmen sicher nicht mehr persönlich führen. Nur frage ich mich, zu was ich das brauche: Ist es denn nicht besser, daß zehn Unternehmer je 1.000 Mitarbeiter haben anstatt einer 10.000?

Mittlere Unternehmen fallen Multis oft genug zum Opfer. Deutschland braucht doch auch global konkurrenzfähige Strukturen.

Grupp: Nicht selten wird Globalisierung mißverstanden. Globalisierung heißt, die Chance zu haben, neue Märkte beliefern zu können. Bleiben wir bei der Automobilbranche: Nicht der größte deutsche Hersteller, sondern der kleinste, nämlich Porsche, ist – wie wir heute wissen – der beste. Viele haben mit ihrer sinnlosen Expansion in der Zeit der Globalisierung Milliarden verloren. Denken wir nur an den Otto-Versand, die Deutsche Post oder – wie schon erwähnt – Daimler Benz.

Sie produzieren ausschließlich in Deutschland, kaufen nur in Hochlohnländern, haben keinerlei Außenstände bei den Banken und garantieren soziale Bedingungen für Ihre Mitarbeiter. Was ist Ihr Geheimnis?

Grupp: Wir setzen auf die Vorteile des Standorts Deutschland. Diese Vorteile sind zum Beispiel fleißige und ausgebildete Mitarbeiter, die Zuverlässigkeit und größte Flexibilität bieten. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, um die Qualität „Made in Germany“ garantieren zu können.

Als Sie Trigema 1969 übernommen haben, hatte die Firma zehn Millionen Mark Schulden. Nur sechs Jahre später war sie schuldenfrei.

Grupp: Ich habe mich damals ausschließlich auf unsere ursprüngliche Firma konzentriert, also darauf, Trikotwaren zu produzieren, und alle Diversifikationen abgebaut – allerdings die Mitarbeiter dieser Diversifikationsbetriebe übernommen. Außerdem habe ich nur das gekauft, was ich auch gebraucht habe. Aber was ich kaufte, mußte das Beste sein! Nachdem die Schulden abgebaut waren, habe ich nur dann investiert, wenn ich es auch bezahlen konnte. Damit sind wir nie in Abhängigkeit von Dritten geraten, die uns im Zweifelsfalle unter Druck hätten setzen können. Dies war vor allem in Krisenzeiten wichtig, denn wir konnten folglich so agieren, wie es für die Firma richtig war, und nicht so, wie andere es für richtig hielten.

Wie würden Sie also Ihr Rezept zusammenfassen?

Grupp: Verantwortung für die Mitarbeiter, Gerechtigkeit, Anstand und vor allem kein Größenwahn. Verantwortung heißt für mich, daß ich für alles, was ich tue, auch persönlich geradestehen muß, und es bedeutet, vor allem auch die Verantwortung für die Arbeitsplätze meiner Mitarbeiter zu übernehmen. Es muß also das Miteinander gepflegt werden, meine Mitarbeiter müssen wissen, daß wir gemeinsam in einem Boot sitzen und ich nie aussteigen und meine Mitarbeiter im Stich lassen würde. Leider haben sich die Zeiten heute geändert. Früher bedeutete ein Konkurs, daß der Unternehmer als erster sein Vermögen verloren hat. Heute ist es nicht selten umgekehrt: Nach der Insolvenz geht es dem Unternehmer meist besser als zuvor! Wenn das normal ist, dann stimmt etwas nicht und wir werden die nächste Krise dann auch nicht verhindern können. Wenn man Manager oder Unternehmer unabhängig von ihrem Erfolg bezahlt bzw. reich werden läßt, braucht man sich über Mißerfolge nicht zu wundern!

Gute Unternehmer contra böse Manager?

Grupp: Dies betrifft selbstverständlich nicht nur Manager. Es gibt gute und schlechte Manager, so wie es gute und schlechte Unternehmer gibt. Es kann also nicht sein, daß verantwortliche Unternehmer bzw. Manager Riesenverluste erwirtschaften und dafür noch mit Millionen belohnt werden. Wir brauchen auch keine Deckelung von Gehältern. Denn wer für seine Firma Millionen verdient, kann auch selbst entsprechend verdienen. Aber bei Mißerfolg Millionen zu verdienen, das hat mit dem „kleinen Einmaleins“ nichts mehr zu tun.

Welche Verantwortung trägt die Politik?

Grupp: Der Gesetzgeber hätte schon längst die Rahmenbedingungen schaffen müssen, so daß nur noch Leistung honoriert und Nichtleistung eben nicht honoriert wird. Dann wären sicher viele Probleme erst gar nicht entstanden.

Warum ist das nicht geschehen?

Grupp: Ich frage mich selbst, warum keiner in dieser Richtung etwas tut, obwohl es doch selbstverständlich ist, daß derjenige, der mit fremdem Geld eine große Entscheidung trifft, auch persönlich mindestens mit seinen Bezügen in der Haftung sein müßte. Aber vielleicht liegt es daran, daß die Politiker nicht selten in verantwortlichen Positionen in der Wirtschaft sitzen und Milliardenverluste auch nicht bemerken.

Wie könnte sich das ändern?

Grupp: Meine konkrete Forderung an die Politik lautet, daß diejenigen, die persönlich für ihre Entscheidungen geradestehen, auch anders besteuert werden müßten als diejenigen, die keinerlei Haftung für ihre Entscheidungen übernehmen. Ich habe vor zehn Jahren meine Firma von einer „GmbH & Co. KG“ in eine Einzelfirma „Trigema Inh. W. Grupp e. K.“ umgewandelt, um zu demonstrieren, daß wir endlich wieder die persönliche Haftung zurückbrauchen, denn das Wirtschaftswunder ist von unseren Großvätern ausschließlich geschaffen worden, weil sie persönlich für ihre Entscheidungen gehaftet haben. Nachdem ich jahrelang die gleiche Einkommensteuer bezahlen mußte wie jeder nicht haftende Unternehmer, habe ich im Zuge der New-Economy-Krise meine Firma wieder in eine GmbH & Co. KG zurückgewandelt, damit, falls ich plötzlich nicht mehr da sein sollte, meine Familie nicht in hundert Prozent Haftung steht und von allen anderen abgezockt werden kann. Mein ganzes Privatvermögen ist aber in der Firma, und solange ich entscheide, hafte ich damit auch persönlich. Wenn wir die persönliche Haftung hätten, dann würde sich auch die Spreu von Weizen trennen. Wer etwa fünfzig Prozent Rabatt auf die Einkommensteuer bei persönlicher Haftung nicht akzeptiert, der würde demonstrieren, daß er seiner eigenen Entscheidung nichts zutraut.

Sie lehnen Kurzarbeit ab und garantieren jedem Mitarbeiter nicht nur den eigenen Arbeitsplatz, sondern auch einen Arbeitsplatz für jedes seiner Kinder.

Grupp: Ich tue dies selbstverständlich, weil ich damit in unserem Hochlohnland eher die Garantie habe, daß hinter dem angeblich hohen Lohn auch die volle Leistung steht. Meine Mitarbeiter sind dadurch motiviert und können optimale Leistung erbringen, weil sie sich nicht konstant um ihren Arbeitsplatz Sorgen machen müssen.

Man hat den Eindruck, Sie führen Ihren Betrieb nach den Regeln der klassischen deutschen Industriepatriarchen des 19. Jahrhunderts.

Grupp: Das kann man sehen, wie man will. Meine Aufgabe ist es, stets den Wandel der Zeit zu erkennen und meinen Betrieb so zu führen, daß er diesen Wandel auch problemlos mitmachen kann. Ob das althergebrachte oder neueste Unternehmensführung ist, ist mir im Prinzip egal, wichtig ist, daß sie erfolgreich ist!

Sehen Sie sich als Unternehmer in einer typisch deutschen Tradition?

Grupp: Das kann ich nicht beurteilen, da ich nie im Ausland ein Unternehmen geführt habe. Für mich gilt auf jeden Fall, daß das Miteinander viele Vorteile bietet. Ich bin in Deutschland geboren, aufgewachsen und lebe hier. Das ist meine Heimat, hier habe ich meine Geborgenheit und mein zu Hause. Und was dies bedeutet, braucht man nur einen fragen, der seine Heimat verloren hat. Deshalb ist es meine erste Aufgabe als Unternehmer, meine Pflichten in meinem Heimatland zu erfüllen, bevor ich auf die Idee komme, das Glück in der Ferne suchen zu müssen. Außerdem macht Geld alleine nicht glücklich. Das Wichtigste im Leben ist, das Gefühl zu haben, gebraucht zu werden!

 

Wolfgang Grupp: Der Chef der Textilfirma Trigema im schwäbischen Burladingen ist bekannt durch seine zahlreichen Auftritte in Funk und Fernsehen und für sein Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Deutschland: Trigema produziert – ausgerechnet in der Textilbranche – ausschließlich in Deutschland. Grupp, Enkel des Firmengründers Josef Mayer, führt das Unternehmen seit 1969. Geboren wurde er 1942 in Burladingen südlich von Stuttgart.

 

Trigema: Als „Trikotwarenfabrik Gebrüder Mayer“, abgekürzt Trigema, 1919 in Burladingen auf der Schwäbischen Alb gegründet, beschäftigt der Vorzeigebetrieb in Familienhand heute rund 1.200 Mitarbeiter an drei Standorten in Südwestdeutschland. Ihre Produkte verkauft Trigema über den Einzelhandel und 44 eigene sogenannte „Test-Filialen“ sowie den Onlineshop (www.trigema.de).

Foto: Firmenzentrale der Trigema in Burladingen (auf der Schwäbischen Alb): „Wir setzen auf die Vorteile des Standorts Deutschland“ nichts mehr zu melden.“

 

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