© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/09 08. Mai 2009

Unternehmer als Patrioten
Rückgrat und Lastesel: Ein verläßlicher Mittelstand trägt nach wie vor unsere Volkswirtschaft
Michael Paulwitz

Jeder kennt Wolfgang Grupp. Der wohlfeile Spott über „den mit dem Affen vor der Tagesschau“ bleibt inzwischen so manchem Lobredner von shareholder value und schrankenloser globaler Arbeitsteilung im Halse stecken. Grupps Trigema liefert den Beweis, daß Standort-Patriotismus, soziale Verantwortung und erfolgreiches Unternehmertum hervorragend zusammenpassen. Während international „gut aufgestellte“ Großkonzerne reihenweise in Bedrängnis geraten, demonstrieren mittelständische Familienunternehmer wie Wolfgang Grupp, daß besonnenes Maßhalten und nachhaltiges Denken in Generationen weiter führt als waghalsiges Zocken und Wachstum um jeden Preis.

Wenn Deutschland die Weltwirtschaftskrise bislang noch relativ gut überstanden hat, verdankt unsere Volkswirtschaft das vor allem der vielfältigen, gut ausdifferenzierten mittelständischen Unternehmenslandschaft, die Arbeit und Brot bis in die entferntesten Winkel bringt. In schwäbischen, westfälischen oder fränkischen Dörfern und Wäldern residieren international renommierte Technologie- und Weltmarktführer, bei denen nicht Fondsmanager und Unternehmensberater das Sagen haben, sondern der Chef. Sie schaffen stabile Arbeitsplätze abseits der Finanz- und Wirtschaftsmetropolen, sie zahlen beständig Gewerbesteuer an ihre Kommunen, wenn Großkonzerne schon längst mit Hinweis auf ihre globalen Gewinneinbrüche mit den Achseln zucken und Rückzahlungsrechnungen präsentieren, sie bilden das Gros der künftigen Facharbeiter aus, weil sie wissen, daß die eigenen Lehrlinge später die besten Mitarbeiter werden.

Ginge es rational zu in der Politik, müßten die Wirtschaftsfachleute aller Parteien gerade in Krisenzeiten nichts Eiligeres zu tun haben, als das immer noch funktionierende und stabile mittelständische Rückgrat der Wirtschaft unseres Landes weiter zu stärken und ihm unzumutbare Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Denn auch die Mittelständler leiden unter Kreditklemme und dramatischen Auftrags-einbrüchen.

Tatsächlich bleiben für Mittelstand und Handwerk aber nach wie vor nur Schulterklopfen und tremolierende „Wir vergessen euch nicht“-Sonntagsreden. Wenn Hilfen und Zuwendung verteilt werden sollen, findet das laute Jammern weniger Großkonzerne, die sich umgehend an die Rockzipfel der Politik hängen, wenn sie sich verhoben haben, allemal mehr Gehör als das Grummeln zahlloser kleiner Firmeninhaber.

Es hat nicht nur mit volkswirtschaftlicher Ignoranz und Lobbyabhängigkeit zu tun, sondern auch mit den Gesetzen der Mediendemokratie, wenn Regierungschefs in Bund und Ländern noch immer unverdrossen den überholten Leitbildern der Kohle-und-Stahl-Ära anhängen und im Großunternehmen das Maß aller Dinge sehen. Betriebsräte sind freilich mediengerechter als mittelständische Verbandssprecher, und eine Versammlung aufgebrachter und auf Rettung hoffender Holzmänner oder Opelaner gibt nun einmal die bessere Kulisse für Auftritte in Tagesschau-Meldungen ab, da sind sich alle Politiker einig.

Die Milliarden, die gebraucht werden, um auf Grund gelaufene Konzerne für eine Weile wieder flottzumachen, bis sie dann oft genug doch noch endgültig untergehen, holen sich Politiker jeder Couleur am liebsten bei denen, die nicht weglaufen können. Familien und Familienunternehmen, mittelständische Betriebe und ihre Angestellten und Facharbeiter aus der steuerzahlenden Mittelschicht, sie sitzen in der Tat im selben Boot: Ihnen entzieht der Fiskus gnadenlos jene Liquidität, die er für sich beansprucht, um seine immer weiter ausgreifenden Umverteilungsphantasien finanzieren zu können.

Während dem Durchschnittsverdiener die stetig steigende Steuer- und Abgabelast kaum noch Luft zum Atmen und eigenverantwortlichen Handeln läßt, waren viele Maßnahmen der Großen Koalition zur schnellen Steigerung der öffentlichen Einnahmen explizit mittelstandsfeindlich – von den Verschärfungen bei der Abrechnung von Sozialbeiträgen und Mehrwertsteuer bis zu restriktiven Abschreibungsbedingungen und der erschwerten Geltendmachung von Zinsaufwendungen und Verlusten, die an die Substanz geht. Zu schweigen von der Reform der Erbschaftsteuer, die mit weltfremden Fristen und Regeln Unternehmensnachfolgen gezielt erschwert.

Hinter dem unersättlichen Geldhunger der öffentlichen Hand steht ein Menschen- und Gesellschaftsbild, das dem Ideal des mittelständischen Unternehmers grundsätzlich entgegensteht. Der totale Wohlfahrtsstaat will Macht durch Bevormundung und Umverteilung und tendiert dazu, jedes Individuum in seiner Reichweite bevorzugt als Sozialfall und Betreuungssubjekt wahrzunehmen. Der mittelständische Unternehmer dagegen, der soziale und wirtschaftliche Verantwortung übernimmt und für die Folgen seiner Entscheidungen auch persönlich haftet, ist schon durch diese Risikobereitschaft das bürgerliche Gegenstück zur verräterisch als „Verbraucher“ denunzierten passiven Masse und zum Bonus-Manager, der folgenlos die Vermögenswerte anderer aufs Spiel zu setzen vermag.

Ein freiheitlicher Staat braucht freie, eigenverantwortliche Unternehmer, die der Einweg-Mentalität des nomadisierenden Finanzkapitals das aufbauende Wirtschaften mit den vorhandenen Ressourcen entgegenstellen. Wer die Arbeit im Land halten will, sollte nicht den Wert staatlicher Maßnahmen allein an der Zahl der verteilten und mitgenommenen Milliarden messen. Der Patriotismus des Unternehmers kann sich freilich nicht, wie ein sozialdemokratischer Kanzler meinte, im Dableiben und Steuerzahlen erschöpfen. Er entfaltet sich dort, wo der Staat sich auf seine Aufgabe beschränkt, die Rahmenbedingungen für verläßliches und verantwortliches Handeln zu sichern. Sittliche Maßstäbe freilich kann kein Staat erzwingen. Sie vorzuleben und nicht durch egoistische Partikularpolitik weiter auszuhöhlen, wäre immerhin ein Anfang.

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