© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/09 24. April 2009

Beim Namen genannt
Urteil: Ehemaliger Stasi-Spitzel hat kein Recht auf Anonymität
Christian Vollradt

Das Landgericht München hat entschieden, daß über Stasi-Spitzel „im Zusammenhang mit einem historischen Ereignis durch entsprechendes Bildmaterial und auch unter Namensnennung“ berichtet werden darf. Damit wiesen die Richter die Klage eines ehemaligen Inoffiziellen Mitarbeiters Beobachtung (IMB) der DDR-Staatssicherheit ab. Dieser war unter dem Decknamen „Schubert“ vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in eine Umweltgruppe eingeschleust worden, um diese zu zersetzen.

Eines seiner Opfer, der in München lebende Joachim Heinrich, hatte im Internet ein Foto veröffentlicht, das IMB „Schubert“ im Jahr 1989 bei der Versiegelung von Räumlichkeiten des MfS zeigt. Dabei waren auch seine Funktion und sein Klarname erwähnt worden. „Schubert“ sah darin seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Die Kammer des Münchner Landgerichts sah dies anders. Wegen seiner Verwendung, die auch die „Zersetzung“ der oppositionellen Gruppe einschloß, hob sich der frühere Spitzel „durchaus von anderen informellen Mitarbeitern oder gar der übrigen Bevölkerung der DDR ab“ und sei exponiert gewesen. Vor diesem Hintergrund müsse sein Interesse an Anonymität hinter die durch die allgemeine Meinungsfreiheit, die Informationsfreiheit und die Wissenschaftsfreiheit geschützten Interessen des Betreibers der Internetseite zurücktreten.

Weiter heißt es im Urteil dazu: „Die Aufarbeitung historischer Ereignisse und die Ermittlung der geschichtlichen Wahrheit, wie sie unabdingbare Voraussetzung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und eines jeden freien und pluralistischen Gemeinwesens sind, würden in nicht hinnehmbarem Maße zurückgedrängt, wenn über historische und geschichtlich bedeutsame Ereignisse nicht voll umfänglich berichtet werden dürfte.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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