© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/09 24. April 2009

Berlin droht feuriger Maifeiertag
Linksextremismus II: Mit wachsender Sorge beobachten die Sicherheitsbehörden die Aktivitäten von sogenannten „Autonomen“ in der Hauptstadt
Markus Schleusener

Der polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen“ – über diesen Satz lachen die Berliner Brandstifter schon lange. Immer wieder wird diese Mitteilung der Polizei nach Brandanschlägen verbreitet. Doch noch nie haben diese Ermittlungen des Staatsschutzes handfeste Ergebnisse erbracht.

Die Serie brennender Nobelkarossen reißt einfach nicht ab. Mehr als 60 „abgefackelte“ Autos sind es bereits in diesem Jahr. In der Nacht zum vergangenen Samstag sind wieder etliche dazugekommen: in Kreuzberg ein Landrover Freelander, in Treptow ein Mercedes SLK und ein Mercedes Transporter sowie ein Audi A8 in Mitte. Sechs weitere Autos wurden durch die Flammen in Mitleidenschaft gezogen. Es gibt keine Täter, keine Hinweise, nichts. Nur den Verdacht, daß die Täter Linksextremisten sind, die „Autos abfackeln“ für eine zeitgemäße Variante des Klassenkampfes halten. Die Brandanschläge begannen vor zwei Jahren, als sich die gewaltbereite linksextreme Szene auf den G8-Gipfel von Heiligendamm vorbereitete. Die Vielzahl der Anschläge zeigt zumindest, daß es sich nicht um einen Einzeltäter handeln kann. Hier ist ein terroristisches Netzwerk am Wirken. Es geht auch gegen noble Wohnanlagen, Büros oder Bankfilialen vor, aber Autos sind das beliebteste Ziel der Feuerteufel.

Eine noch größere linksradikale Bedrohung steht der Stadt jetzt bevor. Die gewaltbereite Szene wird die Mai-Feierlichkeiten für die übliche Bambule nutzen und sich in Kreuzberg Straßenschlachten mit der Polizei liefern. Einen Vorgeschmack lieferten die Blitzkrawalle der vergangenen Wochen. So sorgten Autonome am Rosenthaler Platz in Mitte am Osterwochenende für spontane Randale. Etwa hundert Vermummte sprühten Anti-Nato-Sprüche an Wände, warfen Brandsätze auf eine Baustelle, Steine in Fensterscheiben und Straßenmobiliar auf Autos. Zahlreiche Passanten mußten  sich in Sicherheit bringen. Als die Polizei eintraf, waren alle Gewalttäter verschwunden. Auch in Friedrichshain gab es Randale mit einer Barrikade und offenem Feuer. Etwa siebzig Personen behinderten die Feuerwehr bei ihren Löscharbeiten und bewarfen anrückende Polizisten mit Flaschen.

Manchmal greifen die Autonomen aber auch direkt die Polizei an. Beliebtes Ziel: die Polizeiwache am Mauerpark. Zu Silvester wurde die Polizei dort attackiert, vor wenigen Wochen trafen sich rund 250 vermummte Personen, um in Sichtweite ein großes Feuer anzuzünden. Es handelte sich um eine gezielte Provokation. Polizei und Feuerwehr brauchten 100 Mann, um für Ordnung zu sorgen und das Feuer löschen zu können.

Der vorerst letzte Übergriff ereignete sich am vergangenen Wochenende: Anläßlich einer „Solidaritätsdemo“ blockierten in der Nacht zum Samstag etwa siebzig Autonome die Kreuzung Potsdamer Straße/Bülowstraße in Kreuzberg. Auf dem linksextremistischen Internetportal Indymedia wird die Randale wie folgt geschildert: „Es flogen Flaschen auf die Polizei, und die meisten AktivistInnen verstreuten sich sofort in alle Richtungen. Einige verbliebene unerfahrene AktivistInnen wurden von etwa 15 BereitschaftspolizistInnen bedroht, aber auch diese AktivistInnen konnten, ohne daß Ihre Personalien kontrolliert wurden, gehen. Zur Zeit sind also keine Festnahmen bekannt.“

Es ist mit den Händen zu greifen: Dieses gewalttätige linksextreme Potential war lange nicht so aktiv wie in den vergangenen Wochen. Am 1. Mai könnte es zu den schlimmsten Ausschreitungen seit den achtziger Jahren kommen. Damals wurden bis zu 220 Polizisten verletzt. Die Berliner Polizei fürchtet bereits das Schlimmste. „Wir hoffen, daß der 1. Mai nicht so heiß wird, wie es die Vorzeichen vermuten lassen“, ließ die Polizeigewerkschaft durchblicken.

Der Berliner CDU wäre es am liebsten, wenn sich Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) einmischen würde. Der Abgeordnete Kurt Wansner schrieb seinem Parteifreund, obwohl der formal nicht zuständig ist: „Ich richte daher an Sie die Bitte, in Ihrem Haus alle Möglichkeiten zu prüfen, wie man die Lage in Friedrichshain-Kreuzberg wieder in den Griff bekommen kann.“ Die Wahrheit ist, daß auch CDU-geführte Senate jahrelang auf die Strategie der Deeskalation gesetzt haben – was in Berlin zumeist bedeutet, bei Straftaten wegzusehen.

Aus Berliner Sicht gibt es nur einen winzigen Lichtblick: Am Maifeiertag ist auch eine große rechtsradikale Demonstration in Hannover geplant. Das ruft die übliche linke Gegendemonstration hervor. Durch diese Parallelveranstaltung könnte Berlin das Schlimmste erspart bleiben.

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