© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/09 17. April 2009

Die Aussperrung alter Kulturträger
Die Travemünder Tagung „Junker, Bauern und Adel im Osten“ analysierte das konservative ostelbische Milieu und seine Vernichtung nach 1945
Hans-Joachim von Leesen

Immer noch gibt es hier und da Kreisverbände der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU (OMV), in denen sich konservativ gesonnene Christdemokraten versammeln. Die Kreisverbände Kiel und Plön der schleswig-holsteinischen CDU hatten zu einem Wochenendseminar unter dem Titel „Junker, Bauer und Adel im Osten – vernachlässigte Aspekte 1800–2009“ in die Ostseeakademie im Pommernzentrum in Lübeck-Travemünde eingeladen. Der Besinnung auf Wurzeln des Konservatismus sollten einige Referate dienen, die sich mit namhaften preußischen Konservativen befaßten wie etwa mit Ernst Ludwig von Gerlach oder Ewald von Kleist- Schmenzin. Damit gekoppelt hatte man ein zweites Thema, nämlich das immer noch offene Problem der von der Sowjetischen Militäradministration zwischen 1945 und Gründung der DDR verfügten Enteignungen und die verweigerte Restitution nach 1990.

Der Historiker Wolf Nitschke von der OMV zeichnete einen biographischen Abriß von Ernst Ludwig Gerlach unter dem Titel „Eigentum als Amt“. Der Altkonservative Gerlach, vom Pragmatiker Bismarck als „theoretischer Fanatiker in Politik und Religion“ bezeichnet, kämpfte gegen die Folgen der Französischen Revolution ebenso wie gegen Bismarcks Politik der Reichseinigung. Er gilt als einer der Gründer der Preußischen Konservativen Partei, deren Organ die Neue Preußische Zeitung (Kreuzzeitung) wurde.

Über den bedeutenden Einfluß, den der Pietismus auf die ostelbischen Junker ausübte, referierte der emeritierte Kieler Theologe Klaus Kürzdörfer, wobei er bei aller Anerkennung der Innerlichkeit dieser Geistesrichtung auch ihre Neigung zu einer Nischenmentalität bescheinigte. Aus der geistigen Richtung der Altkonservativen stammten auch einige NS-Widerständler, so der Gutsherr Ewald von Kleist-Schmenzin, mit dem sich Stephan Ehmke befaßte, sowie der Theologe Dietrich Bonhoeffer.

Einen breiten Raum nahm im Seminar die Politik der damaligen Bundesregierung unter Bundeskanzler Kohl ein, die die Rückgabe der Enteignungen bis 1949 mit der Begründung verweigerte, die Sowjetunion habe diese Frage mit ihrer Zustimmung zur Wiedervereinigung gekoppelt – eine Behauptung, die sowohl Gorbatschow als auch sein Außenminister Eduard Schewadnadze später bestritten, was die Bundesregierung trotzdem nicht zu Konsequenzen bewog.

Zahlreiche Betroffene diskutierten leidenschaftlich über die Folgen, die die Aufhebung des Eigentumsschutzes durch die Bundesrepublik bewirkte, insbesondere die schwerwiegenden Nachteile für den Wiederaufbau der zerrütteten Wirtschaft in Mitteldeutschland. Alteigentümern, die den Willen zum Aufbau mitgebracht hätten, blieb dabei jede Mitwirkung verwehrt, da selbst eine eingeschränkte Möglichkeit ausgeschlossen wurde, wenigstens einen kleinen Teil ihres beschlagnahmten Eigentums zu einem begünstigten Preis zurückzukaufen.

Viele Teilnehmer deuteten die Politik der Bundesregierung unter Kohl, die beschlagnahmten Güter nicht zurückzugeben, als untauglichen Versuch, mit den Erlösen aus diesen Gütern die Kosten der Wiedervereinigung aufzubringen. Heute schätzt man den Wert der Gesamtansprüche aus den damals beschlagnahmten Gütern auf 15 Milliarden Euro.

Einige Alteigentümer konnten von ihrem oft nur teilweise erfolgreichen Kampf um ihr Eigentum berichten, wobei eine einheitliche juristische  Stringenz nur schwer zu erkennen war. Zudem ließ eine auch auf mangelhafte Aufarbeitung der SED-Diktatur zurückzuführende, mafiös erscheinende Behandlung der Kläger von Verwaltungen und Gerichten keine einheitliche Rechtspraxis erkennen.

Überhaupt bot die „Enteignungsszene“ auf der Tagung nicht immer ein einheitliches Bild, wie auch die Rechtsauffassungen der Enteigneten nicht immer übereinstimmen, was auf der Tagung zu teils heftigen Auseinandersetzungen führte.

Manfred Graf von Schwerin möchte als Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE), des größten Zusammenschlusses von etwa 7.000 nicht entschädigten Grundeigentümern sowie Bodenreformopfern, in den kommenden Bundestagswahlkampf eingreifen, um lautstark ihre Anliegen zu vertreten, deren juristische Feinheiten nur schwer durchschaubar sind und für die das Interesse der Öffentlichkeit nicht ganz einfach zu gewinnen ist.

Die ARE weckt immerhin den Anschein, daß sie politische Klugheit mit Durchschlagskraft vereint, um dem Ziel näherzukommen, daß das „Beuteland des Bundes“, wie das beschlagnahmte Land in Travemünde genannt wurde, zumindest teilweise wieder an die Alteigentümer zurückgegeben wird. Das letzte Wort ist jedenfalls noch nicht gesprochen.

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