© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/09 17. April 2009

Ab durch die Mitte
Europawahl: Nach dem Ausschluß von zwei Landesverbänden droht den Freien Wählern eine juristische Auseinandersetzung
Marcus Schmidt

Damit hatte wohl selbst die CSU nicht gerechnet. Kaum war der Vorwurf in der Welt, die Freien Wähler entwickelten sich zum Sammelbecken für Rechtspopulisten (JF 13/09), schloß der Bundesverband die Landesverbände Bremen und Brandenburg aus. Diese kündigten umgehend Widerspruch an, und so droht der Anti-Parteien-Partei unmittelbar vor dem Europawahlkampf eine juristische Schlammschlacht.

Man lege Wert darauf, „eine politische Kraft der Mitte zu sein“, hieß es in einer Stellungnahme des Bundesverbandes zum Ausschluß der beiden Landesverbände. Darin wird insbesondere Bremen zur Last gelegt, daß sich deren „Führungsriege“ fast ausschließlich aus „ehemaligen Mitgliedern der ehemaligen Schill-Partei“ und der konservativen Wählervereinigung „Bremen muß leben“ zusammensetze. „Wegen ähnlicher Strukturprobleme“ habe man auch Brandenburg ausgeschlossen, heißt es weiter.

Der dortige Landesvorsitzende Hans-Jürgen Malirs ist über das Vorgehen und die Begründung des Bundesverbandes entsetzt. Man sei weder über den beabsichtigten Ausschluß noch über die Gründe des Rauswurfs informiert worden. Auch habe der Landesverband zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen können, kritisierte Malirs gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Vehement wehrt sich der Oberst der Reserve dagegen, in die rechte Ecke gedrängt zu werden. Hinter den Vorwürfen einer „rechten Unterwanderung“ vermutet er den konkurrierenden „Landesverband Freie Wähler Brandenburg e.V.“, der bei der Anerkennung durch den Bundesverband den kürzeren gezogen hatte und diesem nicht angehört. Auffällig ist in der Tat, daß ausgerechnet der Vorsitzende des Konkurenzverbandes, Wigor Webers, im Bericht von Report München, der den Vorwurf der Unterwanderung in die Welt gesetzt hatte, als Zeuge der Anklage auftritt. Mittlerweile hat der Landesverband Beschwerde gegen den Ausschluß eingelegt und dem Bundesverband eine Frist bis zum 20. April gesetzt. Die Zeit drängt, die Freien Wähler in Brandenburg wollen am 27. September zur Landtagswahl antreten, Ende Mai müssen die Kandidaten aufgestellt werden.

Vielleicht war es aber eh nur Taktik, daß der Rauswurf gegenüber den Medien mit dem „Kampf gegen Rechts“ begründet wurde. Der Bundesvorsitzende Armin Grein deutete gegenüber der JUNGEN FREIHEIT an, daß die „rechten Tendenzen“ nicht der alleinige und im Falle Brandenburgs nicht einmal der ausschlaggebende Grund für den Ausschluß gewesen seien. Schill, sagte Grein mit Blick auf ehemalige Mitglieder der Schill-Partei, sei anfangs doch ein hochgeachteter Mann gewesen.

Die Auseinandersetzung zeigt einmal mehr, welch fragiles Gebilde die Freien Wähler gerade auf Bundesebene sind. Grein, lange Jahre Landesvorsitzender in Bayern, gleicht mitunter einem „König ohne Land“. Der Aufbau der Bundesorganisation verläuft schleppend, das eigentliche Kraftzentrum der Freien Wähler ist die Münchner Landtagsfraktion um ihren Vorsitzenden Hubert Aiwanger. Aber nicht nur organisatorisch, sondern auch inhaltlich sind die Freien Wähler alles andere als eine Einheit – dies würde ihrem Selbstverständnis als praxisorientierter Interessenvertretung der Bürger jenseits ideologischer Grabenkämpfe aber auch widersprechen.

Trotz der Turbulenzen ist Grein davon überzeugt, daß sich das Konzept der Freien Wähler, die in den (süddeutschen) Kommunen groß geworden sind, auch auf die Landes- und Bundespolitik übertragen läßt. Ja, um auf kommunaler Ebene Veränderungen durchzusetzen und um „die Heimat zu gestalten“, sei es heute erforderlich, gerade auch auf europäischer Ebene Einfluß zu nehmen.

Der Bundesvorsitzende glaubt nicht, daß die Wahlaussichten der Freien Wähler durch die Vorwürfe der „rechten Unterwanderung“ gesunken sind. „Die CSU hilft uns mit ihren Angriffen“, ist Grein sich sicher, „die haben doch die Hosen voll“.

Foto: Armin Grein, Bundesvorsitzender der Freien Wähler: „Die CSU hat die Hosen voll“

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