© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/09 10. April 2009

Am Rande des Abgrunds
Parteitag: Die erneute Wahl Udo Voigts zum NPD-Vorsitzenden kann die schweren innerparteilichen Flügelkämpfe nicht überdecken
Felix Krautkrämer

Vom ich zum Wir“: Unter diesem Motto fand am vergangenen Wochenende in Berlin-Reinickendorf der richtungsweisende Bundesparteitag der NPD statt. Gezeigt hat er vor allem eines: Von einem „Wir“ ist die Partei meilenweit entfernt. Auch wenn sich NPD-Chef Udo Voigt mit einer deutlichen Mehrheit gegenüber seinem Herausforderer, dem Fraktionschef im Schweriner Landtag Udo Pastörs, im Amt behaupten konnte, ist der innerparteiliche Flügelstreit noch längst nicht beigelegt. Voigts Gegner dürften in Zukunft jeden seiner Schritte genau beobachten, um bei der geringsten Schwäche zuzuschlagen. Spätestens nach der Bundestagswahl im September wird der Führungskampf in der NPD wohl erneut entbrennen.

Vorausgegangen war dem Parteitag ein seit über einem Jahr andauernder Machtkampf um die Spitze der NPD, ausgelöst durch die Finanzaffäre um den ehemaligen Schatzmeister Erwin Kemna (JF 10/09). Nicht wenige in der Partei werfen Voigt eine Mitverantwortung dafür vor, daß die NPD vor dem finanziellen Ruin steht. Zwar räumte er am Wochenende ein, Fehler gemacht zu haben, doch die Verantwortung für den desolaten Zustand der Bundespartei übernahm Voigt nicht.

Vielmehr warf er seinen Gegnern vor, seit längerem seinen Sturz zu betreiben. Dabei griff er vor allem den Landesverband Mecklenburg-Vorpommern und den bisherigen Generalsekretär Peter Marx namentlich an. Die Art und Weise, wie seine Gegner ihn abzuschießen versuchten, habe aber seinen Durchhaltewillen noch gestärkt. Er habe den Eindruck, daß einige „dieser Führungskräfte“ mittlerweile „im System“ angekommen seinen. „Sie stellen ihr persönliches Wohl über das der Partei“, rief Voigt und erntete dafür kräftigen Applaus.

Die Angegriffenen wiederum hielten Voigt seine Verfehlungen in der Finanzaffäre vor. Der bisherige Schatzmeister Stefan Köster machte in seinem Rechenschaftsbericht deutlich, daß die NPD faktisch pleite sei. Es gebe so gut wie keine Spender und Darlehensgeber mehr. „Wir sind als Bundespartei nicht mehr zahlungsfähig“, sagte Köster und warf Voigt vor, Parteigelder für eine private Liebschaft verwendet zu haben, was unter den Delegierten für erhebliche Unruhe sorgte.

Viele waren deshalb nicht undankbar, daß der mehr und mehr zu einer Schlammschlacht ausartende Parteitag wegen eines Vorfalls auf der Besuchertribüne kurzzeitig unterbrochen werden mußte. Dort hatten NPD-Mitglieder die Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR), Bianca Klose, unter einer Kommission der Reinickendorfer Bezirksverwaltung entdeckt. Die NPD war durch eine Klausel im Nutzungsvertrag dazu verpflichtet worden, Vertretern der Bezirksverwaltung jederzeit Zugang zu ihrer Versammlung zu gewähren. Dem von der MBR entworfenen Mietvertrag hatte es die NPD zudem zu verdanken, daß sie weder Stände im Foyer des Gebäudes aufstellen noch die Gardarobe nutzen durfte. Auf Essen mußten die Delegierten gänzlich verzichten, da der NPD untersagt worden war, dieses mit einem Fahrzeug ans Rathaus zu liefern. Zudem hatte die besagte Anti-Rechts-Initiative gemeinsam mit Antifa-Gruppen zu einer Demonstration gegen die NPD aufgerufen. Die NPD war daher erst bereit, ihren Parteitag fortzusetzen, nachdem Klose auf Anraten der Polizei den Saal verlassen hatte.

Das Hauen und Stechen ging jedoch auch nach dieser Unterbrechung unvermindert weiter. Voigts Gegenkandidat Pastörs warnte vor möglichen weiteren finanzielle Forderungen der Bundestagsverwaltung. Ein Vorsitzender mit einer solchen Hypothek sei für die Partei nicht mehr tragbar. Schließlich wolle man „den Parteienstaat radikal bekämpfen“.

Inhaltliche Kritik an Voigt kam hingegen aus Sachsen. Der dortige Fraktionschef Holger Apfel sagte, er habe frühzeitig davor gewarnt, dem Hamburger Anwalt Jürgen Rieger gegen Geld einen Posten anzubieten. Rieger, ausgewiesener Anhänger von Rassentheorien, war auf dem vergangenen Parteitag zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden.

Zudem warf Apfel Voigt vor, ein doppeltes Spiel mit dem gewaltbereiten Schwarzen Block der sogenannten „Autonomen Nationalisten“ zu betreiben. Leute wie Rieger oder der Vertreter der radikalen „freien Kräfte“, Thomas Wulff, stünden für einen „unglaublichen Niveauverfall in der NPD“, so Apfel, der sich für Pastörs als Parteichef aussprach. Die Delegierten votierten jedoch zu knapp zwei Dritteln für Voigt und erfüllten ihm auch noch seinen Wunsch und machten neben dem Münchner Stadtrat Karl Richter und dem thüringischen Spitzenkandidaten Frank Schwerdt Jürgen Rieger erneut zum stellvertretenden Parteichef.

Da paßte es nur ins Bild, daß mit Thomas Wulff und Thorsten Heise zwei Vertreter des äußerst radikalen Spektrums in den künftigen Parteivorstand gewählt wurden. Apfel, Marx sowie der ehemalige Parteivize Sascha Roßmüller waren als Vertreter des gemäßigten Flügels nach Voigts Sieg erst gar nicht mehr angetreten und offenbarten dadurch, wie verhärtet die parteiinternen Fronten mittlerweile sind. Voigts Abschlußappell am Sonntag, in dem er zur Geschlossenheit aufrief, dürfte deshalb auch nicht auf fruchtbaren Boden gefallen sein.

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