© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/09 03. April 2009

Getrennt marschieren, getrennt schlagen
Konkurrenz: Mit dem Konvent für Deutschland und dem Frankfurter Zukunftsrat wollen gleich zwei Institutionen Deutschland reformieren
Christian Vollradt

Spötter bezeichnen sie als Altherrenrunden, als Sabine-Christiansen-Show ohne Fernsehen, linke Kritiker geißeln sie als neoliberale Lobbyvereine, die den Sozialstaat demontieren wollen: jene Zirkel ehemaliger Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wie der Konvent für Deutschland (JF 45/05), den der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog 2003 einberief. Ihm trat eine illustre Schar Altgedienter unterschiedlichster Provenienz bei, von Hans-Olaf Henkel, ehemaliger BDI-Chef, über die beiden sozialdemokratischen Hamburger Alt-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und Henning Voscherau, die ehemaligen Bundesminister Rupert Scholz (CDU) oder Wolfgang Clement bis zum Wirtschaftsberater Roland Berger.

Ein Ziel haben dabei alle vor Augen: Deutschland muß an Haupt und Gliedern reformiert werden, wenn es eine führende Stellung unter den Industriestaaten nicht einbüßen will. Doch mittlerweile ist ein Streit über das „Wie“ der Arbeit des Konvents für Deutschland ausgebrochen. Mit dem Ergebnis, daß einige Mitglieder diesen verließen und sich dem Frankfurter Zukunftsrat (FZR) verschrieben haben.

Kern der Differenzen ist die Frage, inwieweit oder ob überhaupt sich der Konvent mit „Inhalten zukünftiger Politik“ befassen solle. Nein, sagt der Vorsitzende, Roman Herzog, und er scheint sich mit dieser Absage durchgesetzt zu haben, gestützt von Hans-Olaf Henkel, dem Vorsitzenden des Trägervereins. Abweichend dazu befürwortete dessen bisheriger Stellvertreter Manfred Pohl die Ausdehnung auch auf Themen wie Bildung, „Migration“ oder Klimawandel.

Die Linie, die sich jedoch beim Konvent für Deutschland durchsetzte, heißt: Es geht ums Grundsätzliche, um das Verhältnis von Ländern und Bund, um das Wahlrecht und das Parteiensystem, um die „Reform der Reformfähigkeit“. Vorrangig sei es, die institutionelle Fähigkeit zu fördern, über notwendige Reformen zu entscheiden und sie durchzusetzen. Vor allem solle der Konvent „ohne direkten Eingriff in Politiktätigkeit oder Parteiarbeit“ agieren, kurz gesagt, sich eher im Hintergrund halten.

Pohl beharrt wiederum auf seinem Standpunkt, daß man in der heutigen Mediengesellschaft nur mit einer breiten Themenpalette und einer umfangreicheren Öffentlichkeitsarbeit die Zielgruppe – Politiker und andere Entscheidungsträger – erreichen könne. Was nicht „kommuniziert wird, ist nicht präsent“, so zitiert die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ein Fazit des Wirtschaftshistorikers. In einer vor einem Jahr erschienenen Broschüre des Konvents für Deutschland vertrat Pohl dagegen noch die Ansicht, „daß manche Vorschläge erfolgreicher präsentiert und umgesetzt werden können, wenn sie ‘leise’ bzw. ‘hinter den Kulissen’ verhandelt werden“.

Resultate dieser Hinterzimmer- oder Salonpolitik nimmt der Konvent durchaus für sich in Anspruch. Die Föderalismusreform, 2004 zunächst am Streit über Kompetenzen in der Bildungspolitik gescheitert, wäre ohne seine diskrete Intervention nicht im Sommer 2006 zustande gekommen, erinnert Roman Herzog an einen Erfolg. Nun gelte es die Fortsetzung, die noch wichtigere Föderalismusreform II mit ihrer Neufassung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, stimulierend im Sinne eines „Föderalismus im Wettbewerb“ zu begleiten, meinte auch sein Konvents-Kollege Voscherau.

Der Frankfurter Zukunftsrat, der im Oktober 2008 sein Konzept präsentierte, will sich vorrangig mit Themen wie der demographischen Entwicklung, der „Akzeptanz der Globalisierung“ oder mit der Integration befassen. Die Ergebnisse sollen „interdisziplinär“ und „ganzheitlich“ dargereicht und „politisch umsetzbar für die Ämter der Politik formuliert“ werden. Das alles richtet sich nach dem Willen der Zukunftsrätler zunächst an Parlamente, an Wirtschaftsvertreter, Parteien und Gewerkschaften sowie religiöse Institutionen.

Das erste Thema, das der FZR vor kurzem präsentierte, befaßte sich mit der Bildungspolitik; dem entsprechenden „Zukunftskreis“, so die interne Bezeichnung, steht der ehemalige Direktor des Internats „Schloß Salem“ und Bestsellerautor („Lob der Disziplin“) Bernhard Bueb vor. Gefordert werden neben der Ausweitung des Angebots an Ganztagsschulen auch die grundsätzliche Schwerpunktverlagerung weg vom „akademischen“ Lernen hin zur „Persönlichkeitsbildung“.

Auf Offenheit setzt der Zukunftsrat bei der Zusammensetzung. Wer möchte und fähig ist, soll sich einbringen dürfen. Zu den Mitgliedern des  Zukunftsrats, die bereits im Konvent für Deutschland saßen, gehören neben Gründer Pohl auch Wolfgang Clement sowie der Unternehmensberater Roland Berger. Nun ist eine Mitgliedschaft in beiden Institutionen trotz – oder gerade wegen – der unterschiedlichen Schwerpunktsetzung nicht ausgeschlossen, aber auch nicht sehr wahrscheinlich. Von den drei Genannten wird jedenfalls nur Roland Berger noch in beiden Organisationen als Mitglied geführt. Pohls Stelle als Vizevorsitzender des Konvent-Trägervereins übernahm inzwischen Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz. Der Konvent bemüht sich laut Herzog zwar um eine personelle Verjüngung, will jedoch thematisch an seinen Schwerpunkten festhalten. Der Forderungskatalog hat es in sich: Einschränkung des Parteienmonopols, ein Ende von Gefälligkeits- und Klientelpolitik, die Änderung des Wahlrechts, mehr Bürgerbeteiligung  und eine Rückkehr zur bewährten Ordnungspolitik.

Weitere Informationen im Internet  unter www.konvent-fuer-deutschland.de und www.frankfurter-zukunftsrat.de

Foto: Reform-Konkurrenten Pohl (l.) und Herzog: Reparaturen am tragenden Gerüst des Staates

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