© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/09 03. April 2009

CSU nimmt Freie Wähler ins Visier
Europawahl: Mit dem Vorwurf angeblich „rechter Tendenzen“ versucht die Union der aufstrebenden Konkurrenz zu schaden
Marcus Schmidt

Die Geschichte hat das Zeug, als beispielhafter Fall in ein Lehrbuch mit dem Titel „Wie schwäche ich den politischen Gegner?“ aufgenommen zu werden. Die Rede ist von dem Schlag gegen die Freien Wähler, zu dem die CSU in der vergangenen Woche ausgeholt hat. Am Ende des für politische Beobachter nicht überraschenden, aber in seiner Zielgenauigkeit dennoch beeindruckenden Angriffs stand der Austritt des Landesverbandes Schleswig-Holstein aus der Bundesorganisation der Freien Wähler.

Den Auftakt hatte am Montag vergangener Woche ein Beitrag des ARD-Magazins Report München gemacht, in dem über die angebliche Unterwanderung der Freien Wähler in Bremen und Brandenburg durch Rechtsextremisten berichtet wurde. Daß ausgerechnet der CSU-beeinflußte Bayerische Rundfunk diese Geschichte lanciert hat, ist genausowenig überraschend wie die Reaktion der Partei: Die Freien Wähler, so die Forderung aus München, müßten umgehend über die „rechten Tendenzen“ aufklären.

Laut Report bestehe der Vorstand des neugegründeten Landesverbands Bremen aus Personen, die bereits in rechtspopulistischen beziehungsweise konservativen Gruppierungen wie der Schill-Partei und „Bremen muß leben“ aktiv gewesen sind. Für CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt Anlaß genug, um von einem „Sammelbecken für Rechtspopulisten“ zu sprechen. Dobrindt verschwieg dabei, daß in Hamburg ein ehemaliger Schill-Funktionär sogar für die eigene Schwesterpartei CDU im Parlament sitzt. Der Bundesvorsitzende  der Freien Wähler, Armin Grein, bezeichnete die Angriffe jedenfalls knapp als „plumpe Agitation“.

Der CSU ging es auch gar nicht um das kleine Häufchen der Freien Wähler in Bremen. Der Angriff sollte den bayerischen Landesverband treffen, der mit seinem Einzug in den Landtag maßgeblich dazu beigetragen hatte, der CSU-Alleinherrschaft in Bayern ein Ende zu bereiten. Die nächste und vielleicht noch schmerzhaftere Niederlage könnten die Freien Wähler der CSU bei der Europawahl im Juni zufügen: Um erneut ins Europaparlament einzuziehen, benötigen die Christsozialen deutschlandweit mindestens fünf Prozent der Stimmen. Da die Partei aber nur in Bayern antritt, muß sie hier, je nach Wahlbeteiligung, möglichst vierzig Prozent holen, um sicher ins Europaparlament einzuziehen.

Daß die Angst der CSU vor einem Scheitern nicht unbegründet ist, zeigte eine ebenfalls in der vergangenen Woche vom Magazin Cicero veröffentlichte Umfrage: Demnach können sich 28 Prozent der Befragten vorstellen, die Freien Wähler zu wählen. Spätestens diese Zahl zeigt, daß den Parteien des bürgerlichen Lagers mit den eher konservativ ausgerichteten Freien Wählern eine ernstzunehmende Konkurrenz erwachsen könnte. Der frühere BDI-Präsident Hans-Olaf Henken sieht das offenbar ganz genauso. In einem Interview mit dem Cicero stellte der wortgewandte Wirtschaftsfachmann einen Antritt für die Freien Wähler in Aussicht. „Ich könnte mich für ein Pro-Bürger- und ein Contra-Parteien-Programm der Freien Wähler auf Bundesebene engagieren“, sagte Henkel, der bereits auf der Bundesversammlung der Freien Wähler gesprochen hatte. Henkel traut ihnen eine grundlegende Änderung des deutschen Parteiensystems zu. Sie könnten mit Bürgerrechten, mehr Verantwortung vor Ort und weniger Zentralismus bei den Wählern punkten.

Doch der Austritt des Landesverbandes Schleswig-Holstein hat die Anti-Parteien-Partei zunächst einmal geschwächt und aus allen Träumen gerissen. Der Kieler Landesvorsitzende Helmut
Andresen begründete den Schritt damit, daß der Bundesverband nicht rechtzeitig auf die angebliche Unterwanderung von „rechts“ reagiert habe.

Auch zwei Tage nach dem Paukenschlag war vom Bundesverband keine Stellungnahme zu bekommen. Man werde sich am Wochenende beraten, kündigte ein Sprecher gegenüber der JUNGEN FREIHEIT an. Und, so ist anzunehmen, gegen weitere Angriffe der CSU wappnen. Denn diese werden nicht lange auf sich waren lassen.

Foto: Gabriele Pauli (Freie Wähler) und Günther Beckstein (CSU) im Landtag: Heftige Angriffe

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