© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/09 27. März 2009

Des Polizeipräsidenten neue Kleider
„Kampf gegen Rechts“: Berlins oberster Ordnungshüter Dieter Glietsch hat seinen Beamten das Tragen diverser „rechtsextremistischer“ Modemarken verboten
Ronald Berthold

Eines hat Dieter Glietsch begriffen: Wer inkompetent ist, sollte wenigstens sein antifaschistisches Profil schärfen. Seit Jahren scheitert der Berliner Polizeipräsident daran, die Serie Hunderter linksradikaler Brandanschläge auf Autos aufzuklären. Nun aber glaubt er ein vermeintliches Erfolgsthema für sich entdeckt zu haben. Seinen Zivilbeamten schreibt er genau vor, welche Kleidung im Dienst verboten ist. Zehn Marken hat er aufgelistet. Begründung: Diese Jacken, Hosen und T-Shirts werden auch von „Rechten“ getragen.

Der 61jährige hoffte offenbar auf eine gute Presse, die seine Serie von Pleiten und Pannen vergessen machen würde. Doch erstaunlicherweise regt sich Widerspruch. „Ich frage mich, wie diese Anweisung erweitert werden soll, wenn Rechtsextremisten in einem Jahr beispielsweise Adidas, Puma oder Nike tragen?“ fragte Peter Trapp (CDU), Vorsitzender des Innenausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus. Unter den Tabu-Marken sind Firmen, die sich bei Menschen aller politischer Couleur großer Beliebtheit erfreuen: Fred Perry, Alpha Industries und Ben Sherman zum Beispiel. Die weiteren inkriminierten Modefirmen sind ACAB, Lonsdale, Consdaple, Pitt Bull, Outlaw, Troublemaker und Thor Steinar.

Kurioser Auswuchs von Glietsch’ Anweisung: Auch die bei Zivilfahndern beliebte Schimanski-Jacke ist nun verboten. Wer weiterhin mit dem Kultprodukt von Alpha Industries herumläuft, riskiert seine Laufbahn. Der Polizeipräsident: „Bei einem Verstoß gegen diese Anweisung ist grundsätzlich die Einleitung eines arbeitsrechtlichen Abmahn- beziehungsweise Disziplinarverfahrens geboten.“ Die meisten Beamten schütteln ungläubig mit dem Kopf. Auch Bodo Pfalzgraf, Berlin-Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, ist fassungslos: „Die Jacke hat fast jeder im Schrank. Wer daraus eine rechte Gesinnung ableitet, beleidigt die Kollegen.“

Die politisch korrekte Anweisung scheint zum Rohrkrepierer zu werden. Pfalzgraf: „Daß Herr Glietsch es mit den Grundrechten seiner Mitarbeiter nicht so ernst nimmt, haben wir schon mehrfach erfahren. Aber diese Dienstanweisung aus dem stillen Kämmerlein am Personalrat vorbei ist wirklich die Krönung.“

Für Glietsch hätte es kaum schlimmer kommen können, denn sein neuer Dress­code behindert selbst bei den scheinbar eindeutig rechten Marken offensichtlich auch erfolgreiche Polizeiarbeit. Diese sei ohne szenetypische Kleidung oft gefährlich, weil Polizisten dann schneller erkannt würden, warnt Pfalzgraf. Ein Beamter bezweifelte in der Berliner Morgenpost gar, ob die Kleiderordnung juristisch sauber ist. „Noch weniger kann ich mir vorstellen, daß ein Richter im Falle eines Prozesses ein Urteil gegen einen Beamten spricht, nur weil der aus taktischen Gründen im zivilen Einsatz eine Armee-Jacke trägt, um nicht aufzufallen.“

Selbst die Antifa ist irritiert. Matthias Müller vom Mobilen Einsatzkommando gegen Rechtsextremismus: „Die Intention begrüßen wir sehr, aber das Ergebnis können wir nicht nachvollziehen. Fred Perry, Ben Sherman und Londsdale haben sich sehr stark von der rechten Szene distanziert.“ Dafür seien viele andere Marken, die absichtlich mit angeblich rechtsextremen Codes arbeiten würden, nun weiter erlaubt. „Wir hätten uns gewünscht, daß Herr Glietsch mit uns oder anderen Projekten gemeinsam eine Liste erarbeitet hätte“, kritisierte Müller.

Die Vertreter der betroffenen Firmen und selbst die Händler sind empört. KaDeWe-Sprecherin Petra Fladenhofer: „Fred Perry gibt es in allen großen Kaufhäusern der Welt“, die Marke bringe „gute Umsätze“ und verfüge über „internationale Reputation“. Diese dürfte Glietsch nun zerstört haben. Bei Ben Sherman ist man ob dieser Rufschädigung überhaupt nicht amüsiert. Geschäftsführer Ricardo Meyer: „Wir sind in angesehenen Häusern wie dem KaDeWe, P&C oder Kaufhof vertreten. Das beweist ja wohl, wer unsere Kunden sind.“ Zu den Fans der Marke gehörten Prominente wie Fernsehkoch Tim Mälzer oder die Fantastischen Vier.

In der Vergangenheit hat der Berliner Polizeipräsident wiederholt bewiesen, daß ihm selbst absurdeste linke Symbolpolitik über sachliche Arbeit geht. Im vergangenen Sommer knöpfte er sich 29 Beamte vor, weil die sich in internen Mails darüber lustig gemacht hatten, beim Hissen der Regenbogenfahne vor dem Polizeipräsidium antreten zu müssen. Während der gleichzeitig stattfindenden Fußball-Europameisterschaft hatte er seinen Untergebenen das Zeigen von Schwarz-Rot-Gold strikt verboten. Das Anbringen der Homosexuellen-Flagge mußte jedoch – so der Vorwurf – einem Staatsakt ähnlich gefeiert werden.

Wenig Verständnis zeigte der Polizeipräsident auch für jene Autofahrer, die seit zwei Jahren Opfer der linksautonomen Brandstifter werden. Wer einen Porsche fahre, solle ihnen eben nicht in Kreuzberg abstellen, riet er diesen Leuten. Durchschlagende Ermittlungserfolge blieben dagegen bislang aus.

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