© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/09 13. März 2009

Hollywood rächt sich für den Holocaust
Deutschenhaß: Quentin Tarantino beschert uns mit „Inglourious Basterds“ ein dummdreistes Spektakel
Martin Lichtmesz

Mein Name ist Lieutenant Aldo Raine“, stellt sich Brad Pitt in breitbeiniger Pose und mit schnoddrigem Hillbilly-Akzent vor, „ich brauche acht Soldaten!“ Im zackigen Gleichschritt treten die Freiwilligen vor. „Wir werden als Zivilisten getarnt über Frankreich abgesetzt. Wir haben nur eine Aufgabe, eine einzige: Nazis zu töten.“ „Jawohl, Sir!“ brüllt der Trupp einstimmig.

Ein rockiger Baß erklingt, als Bilder von „Nazis“ in Aktion in schneller Schnittfolge vorbeiziehen. Ein hübsches, weinendes Mädchen rennt um sein Leben. „Mitglieder der nationalsozialistischen Partei haben Europa unterworfen durch Mord, Folter, Einschüchterung und Terror“, fährt Pitt fort, „Und genau das werden wir jetzt ihnen antun. Wir werden grausam zu den Nazis sein. (…) Die Spuren unserer Grausamkeit finden sie in den ausgeweideten, zerstückelten und entstellten Körpern, die wir ihnen zurücklassen ... Nazis verdienen keine Menschlichkeit! Sie müssen vernichtet werden! Jeder Soldat unter meinem Kommando schuldet mir einhundert Nazi-Skalps!“ Und nun erklärt auch ein Titel in diesem Kinotrailer, der vor kurzem im Internet veröffentlicht wurde, wem dieser markige Appell zu verdanken ist: „Man hat den Krieg nicht gesehen, ehe man ihn nicht durch die Augen von Quentin Tarantino gesehen hat.“

Das immergrüne Subgenre des „Nazi“-Films erlebt zur Zeit einen neuen Höhepunkt. Nach dem Thriller („Operation Walküre“), dem Liebesdrama („Der Vorleser“), dem jüdischen Heldenepos („Defiance“) und dem Kinderfilm („The Boy in the Striped Pajamas“) bleibt Tarantino die cinephil veredelte Action überlassen. Das Plakat zu dem für August 2009 angekündigten Streifen „Inglourious Basterds“ (die Schreibweise ist Absicht) ziert ein blutiger Baseballschläger, an dem ein Wehrmachtshelm baumelt.

Der Hype, der um den Film nun schon seit Monaten betrieben wird, hat Tradition bei Tarantino. Von dem Shooting Star der neunziger Jahre, der sich nach nur zwei Filmen („Reservoir Dogs“ und „Pulp Fiction“) als Kultregisseur feiern ließ, erwartet man  immer noch Außergewöhnliches, auch wenn jüngere Werke wie „Kill Bill“ bei Publikum und Kritik eher durchschnittlich aufgenommen wurden. Tarantino verlieh dem Gangsterfilm einen frischen, postmodernen Schliff, kombinierte lustvoll zelebrierte Gewalt mit zynischem Humor und zitierte dabei reichlich aus dem Fundus der Filmgeschichte.

Auch „Inglourious Basterds“ speist sich aus dem exzessiven Filmkonsum des ehemaligen Videothek-Angestellten. Diverse Italowestern, „Die große Flucht“ mit Steve McQueen, „Das dreckige Dutzend“ oder die Kriegsgefangenenserie „Hogan’s Heroes“ („Ein Käfig voller Helden“) beeinflußten seinen neuen Film ebenso wie das berüchtigte italienische Schund-Kino der Siebziger, das mit perverser Vorliebe „Nazi“-, Gewalt- und Sexthemen verknüpfte.

So ist Tarantinos Film lose von dem Knaller „Ein Haufen verwegener Hunde“ (Italien 1976) angeregt, der in den USA unter eben dem Titel „Inglorious Bastards“ lief. Während in diesem Film die „Dreckskerle“ amerikanische Deserteure sind, die sich nur allmählich der „guten Sache“ der französischen Partisanen anschließen, sind Tarantinos in grauschattiger Italowestern-Manier charakterisierten „Helden“ jüdische Soldaten, die auf Rachefeldzug für den Holocaust ausziehen. Das ist ein Motiv, das es so in diesem Genre bisher noch nicht gab und das gewiß der verschmalzten und scheinheiligen Ehrfürchtigkeit, die für das Holocaust-Kino seit „Schindlers Liste“ so kennzeichnend ist, gegen den Strich läuft.

Andererseits waren die Grenzen zwischen „seriösen“ und Comic-Nazis in Hollywood immer schon fließend. Da der „Nazi“ inzwischen eine Art Horrorfilmfigur geworden ist, ist zu befürchten, daß die „Nazis“ in „Inglourious Basterds“ das Äquivalent zu den lebenden Toten der Zombie-Filme darstellen: Die einen kann man guten Gewissens verstümmeln, zerhacken und zerschießen, weil sie ja schon tot, die anderen, weil sie so abgrundtief böse sind. So stehen dem Genuß der sadistischen Gewalt keine Skrupel mehr im Weg.

Dabei überbügelt die deutsche Synchronfassung offenbar, daß die Bezeichnung „Nazis“ im englischen Original alternierend mit „Germans“ gebraucht wird; ein zu vernichtender „Nazi“ ist für die „Basterds“ schon jeder beliebige Besatzungssoldat. Für ein solches Konzept ist das primitive Bild, das der Film vom Zweiten Weltkrieg zeichnet, natürlich eine unumgängliche Grundlage. Deren ganze Dummheit zeigt sich indessen schon daran, daß an allen Fronten des Krieges gerade die Grausamkeiten der Partisanen die Spirale von Gewalt und Gegengewalt zum Rotieren brachten, indem sie nicht minder grausame Vergeltungen provozierten.

Tarantino selbst indessen schwebte in einem früheren Stadium des Projekts ein komplexerer Film vor: „Er wird meine epische Sichtweise auf das soziologische Schlachtfeld dieser Zeit bringen, mit dem Rassismus und der Barbarei auf allen Seiten – der Nazi-Seite, der amerikanischen Seite, der schwarzen und jüdischen Soldaten und der Franzosen.“ Ob „Inglourious Basterds“ der Gewalt seiner Anti-Helden mehr als bloße Glorifizierung, vielleicht gar Ambivalenz abgewinnen wird, bleibt also noch offen.   

Dann wird sich auch zeigen, wie „politisch“ das historisch frei erfundene Spektakel nun tatsächlich aus deutscher Sicht zu werten ist. Es gibt zweifellos einen weitläufigen Zusammenhang zwischen den Nazis aus Hollywood und dem Umstand, daß alljährlich Tausende Demonstranten in Dresden sich nicht scheuen, zusammen mit der „Bomber-Harris, do it again“-Fraktion zu marschieren.

In den fünfziger Jahren wurden in der BRD Filme wie „Casablanca“ in zum Teil arg entstellten Fassungen gezeigt, die von Propagandaelementen bereinigt waren, um das deutsche Publikum nicht vor den Kopf zu stoßen. Noch 1963 kürzte man aus diesem Grund Sergej Eisensteins „Alexander Newskij“  (UdSSR 1938) um Szenen, in denen fiese deutsche Ordensritter kleine Kinder verbrennen. Doch bereits 1967, als die Landser-Filme längst aus den Kinos verschwunden waren, war die Umpolung bereits soweit vollzogen, daß auch das deutsche Publikum dem „dreckigen Dutzend“ die Daumen drückte, während es eine feldgraue Knallcharge nach der anderen abschlachtete. In den neunziger Jahren stieß sich kein einziger deutscher Kritiker mehr an der perfiden Darstellung der Deutschen in Spielbergs „Der Soldat James Ryan“, während an „Schindlers Liste“ bekrittelt wurde, daß hierausgerechnet ein „guter Deutscher“ im Mittelpunkt eines Holocaust-Films stand.

Nach sechs Jahrzehnten Berieselung mit ungezählten US-Filmen wird der dumme deutsche Michel, der seine eigene Erniedrigung gar nicht mehr bemerkt, wohl auch den nach Popcorn und Cola schmeckenden Staub von Tarantinos Stiefeln mit Lust fressen.

Fotos: Aldo Raine (Brad Pitt): Dem Genuß der sadistischen Gewalt stehen keine Skrupel mehr im Weg, Unten: Regisseur Quentin Tarantino; Szene mit Marcel (Jacky Ido) und Shosanna (Mélanie Laurent)

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen