© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/09 06. März 2009

Drahtseilakt ohne Netz
Bankenkrise: Die Rettung der HSH-Nordbank droht Hamburg und Schleswig-Holstein zu überfordern
Thorsten Uhrhammer

Drei Milliarden Euro neues Kapital und zehn Milliarden Euro Sicherheiten haben Hamburg und Schleswig-Holstein für die ins Schwanken geratene HSH-Nordbank zugesagt. Dafür gründen die beiden Nordstaaten eine Anstalt öffentlichen Rechts, die drei Milliarden Euro auf dem Kapitalmarkt aufnimmt. Die gibt das Kapital dann auf Kosten der Steuerzahler an die HSH-Nordbank. Zusätzlich stellt die Anstalt für weitere zehn Milliarden Euro Sicherheiten zur Verfügung, wofür die Nordbank in den nächsten zwei Jahren jeweils 400 Millionen Euro Bereitstellungsgebühren bezahlt.

Mit diesem Geld bedient diese die Zinsen in Höhe von 150 Millionen Euro, die für den Kredit anfallen. So soll zuerst ein Überschuß entstehen. Da die HSH allerdings absehbar bis einschließlich 2010 Verluste machen wird, muß die Bereitstellungsprämie letztlich doch aus den drei Milliarden aufgebracht werden, welche die Länder der Bank gegeben haben. Aber auch die Insolvenz des maroden Instituts wäre für den Steuerzahler kein Zuckerschlecken.

Denn alleine Hamburg hätte aus der Zeit der sogenannten Gewährsträgerhaftung, als die Bundesländer noch direkt für die Landesbanken hafteten, 23 Milliarden Euro an Altlasten zu verkraften. Dieses 23 Milliarden wären sofort fällig. Zudem würde eine Pleite der vor allem maritime Projekte finanzierenden Bank die Schiffsindustrie treffen. Abgesehen davon haben die Politiker im Wahljahr natürlich auch die etwa 4.500 Angestellten der Bank und deren Arbeitsplatzsicherheit im Blick. Hamburgs Finanzsenator Michael Freytag (CDU) verspricht, daß das Rettungsmodell den Haushalt nicht belaste und den Bürger keinen Euro koste, weil die Schulden, die Hamburg nun zugunsten der HSH macht, über die zwischengeschaltete Anstalt laufen werden. Diese könnte liquidiert werden, sobald die Bank wieder in die schwarzen Zahlen kommt und die Schulden der Hansestadt damit getilgt würden. Nur, sollte die Bank auf absehbare Zeit in der Verlustzone verharren und bräuchte sie deswegen zusätzliche staatliche Finanzhilfen, wäre der Haushalt auch nach Freytags Logik in Gefahr. Dieser ist ob der diesjährigen Steuerausfälle ohnehin schon nicht mehr seriös. Nachtragshaushalte werden von Schwarz-Grün bereits ganz offen eingeplant.

Bürger machen sich Sorgen um die Zukunft

Vor noch größeren Problemen steht Schleswig-Holstein. Das Land ächzt bereits jetzt unter einer Schuldenlast von 23,2 Milliarden Euro. Im Etat des Landes stehen gerade noch freie Mittel von etwa 500 Millionen Euro zur Verfügung. Der Rest ist für Personal, Pensionen und Zinslasten verplant. Zum Vergleich: Die Bilanzsumme der HSH, an der Schleswig-Holstein 29,1 Prozent hält, beträgt mehr als 200 Milliarden Euro. Für Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen (CDU) ist das Rettungspaket daher „weder für Hamburg und insbesondere nicht für Schleswig-Holstein ein Pappenstiel“. Völlig unklar ist, wie viel Staatshilfe die Landesbank im Laufe der nächsten ein, zwei Jahre noch benötigen wird. Schon für Ende des Jahres rechnen Experten mit einem weiteren Bedarf von bis zu drei Milliarden Euro. Daß das Schleswig-Holstein überforderte, wissen auch die Bürger. Hatte Carstensen die Rettung der HSH allein durch Schleswig-Holstein und Hamburg bis vor wenigen Tagen stets als alternativlos verteidigt, so fordert er jetzt, den Rettungsfond des Bundes „Soffin“ zur Rettung der HSH ins Boot zu holen.

Verhandlungen zwischen den Ländern, dem Bund und dem Soffin sollten baldigst aufgenommen werden, es gehe jetzt darum, „zu einem abgestimmten Vorgehen zu kommen“, sagte Carstensen. Aber auch bankintern sind noch eine Menge Hausaufgaben zu machen. HSH-Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher bekam nach der Präsentation der neuen strategischen Ausrichtung der Bank vor dem Aufsichtsrat zu hören, daß es weiteren Informationsbedarf gebe. Auf einer Sitzung am 9. März soll das Konzept nun erneut „intensiv erörtert“ werden. Freytag, der im Aufsichtsrat sitzt, hatte sich für das Konzept von Nonnenmacher eingesetzt.

Während der Sitzung des Aufsichtsrates blieben jedoch offenbar so viele Fragen zum Konzept offen, daß Nonnenmacher zur Überarbeitung angehalten wurde. Aufsichtsratschef Wolfgang Peiner dazu: „Der Aufsichtsrat stellt das Gesamtkonzept aber nicht in Frage.“ Derweil wurde bekannt, daß der amerikanische Investor J. C. Flowers sein Hamburger Büro verkleinern werde. Flowers, hinter dem amerikanische Pensionsfonds und Stiftungen stehen, ist an der HSH und der ebenfalls maroden Hypo Real Estate (HRE) (siehe Seite 7) zu je rund einem Viertel beteiligt. Flowers mußte riesige Verluste mit seinen Bankbeteiligungen einstecken. Bei der HRE droht ihm nun sogar die Enteignung. Flowers’ Beteiligung an der Bank von über einer Milliarde Euro ist jetzt nur noch weniger als 100 Millionen Euro wert.

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