© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/09 27. Februar 2009

Auf Versöhnungskurs
Volksinitiative: Der Journalist Jürgen Elsässer will der Linken die Nation schmackhaft machen
Fabian Schmidt-Ahmad

Wer heute an eine spezifisch linke Politik denkt, dem wird innerlich ein großes „Anti“ vor Augen stehen: „antifaschistisch“, „antirassitisch“, „antidiskriminierend“ und so weiter. Diese Begriffe prägen das Denken im heutigen linken Spektrum. Das war nicht immer so. Wer alte Artikel der SED-Parteizeitung Neues Deutschland liest, namentlich zu der Zeit, als die DDR-Regierung noch die Vorstellung eines geeinten Deutschlands verfolgte, wird eine starke Appellation an den Patriotismus finden. Insofern entbehrt es nicht einer gewissen Komik, daß das Neue Deutschland nun seinen Mitarbeiter Jürgen Elsässer entlassen hat, weil dieser eine „Volksintitiative gegen Finanzkapital“ gegründet hat.

Denn diese Initiative will die verbliebenen Kräfte der Nationalstaaten wiederbeleben und gegen einen anglo-amerikanischen „Angriff des internationalen Finanzkapitals auf den Rest der Welt“ ins Feld führen (JF 4/09). Nicht ohne Grund bezeichnet Elsässer diese Initiative als „Volksfront“. Immerhin hatte eine solche im linken Selbstverständnis die Bedeutung eines übergeordneten Zusammenschlusses, der den sich mit geschichtlicher Notwendigkeit vollziehenden Klassenkampf durch eine äußere Bedrohung kurzzeitig überlagert. In diesem Fall ist dies ein „Wirtschaftskrieg“, der mit fiktiven Kapital als „finanziellen Massenvernichtungswaffen“ gegen die gewachsenen Staatsstrukturen geführt wird.

Elsässer kennt nun keine Parteien mehr, er kennt nur noch Deutsche, wie er in den jetzt veröffentlichten Grundsätzen seiner Initiative deutlich macht (www. juergenelsaesser.wordpress.com): „Die Volksinitiative will zum Entstehen eines breiten gesellschaftlichen Bündnisses beitragen, das neben den unteren Klassen auch die Mittelschichten umfassen sollte und darüber hinaus auch die Teile des Kapitals ansprechen will, die sich dem spekulativen Angriff des internationalen Finanzkapitals entgegenstellen.“ Dabei soll längerfristig als eurasisches Vorbild und Gegenpol zum transatlantischen Bund eine Achse Paris–Berlin–Moskau gebildet werden: ein Zusammenschluß etatistisch geprägter Gesellschaften, der im linken Milieu gleichfalls durchaus auf eine Denktradition zurückblicken kann. Doch die heutige Linke dürfte weder ein Interesse am Denken noch an einer Tradition jenseits der vorherrschenden Kulturfeindlichkeit haben. Vorigen Monat bereits überfielen Linksextremisten eine Veranstaltung Elsässers und schlugen mehrere Zuhörer nieder. Für sie ist er ein linker „Verräter“, der offensichtlich seine Daseinsberechtigung eingebüßt hat. Wenn überhaupt, so werden diese Leute wohl noch eine Weile brauchen, um zu verstehen, warum die einstige Führungsfigur der „Antideutschen“ nun den Frieden mit der Nation sucht.

Angesichts einer sich mit ökonomischer Notwendigkeit globalisierenden Welt erscheint eine Renationalisierung der Finanzmärkte gewiß als ein Anachronismus. Doch immerhin ist es Verdienst der Initiative, darauf hinzuweisen, daß solchermaßen abstrahiertes Kapital als staatenzermalmendes Herrschaftsinstrument mißbraucht werden kann. Ideen, wie diese Eigenschaft neutralisiert werden können, müssen andere bilden.

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