© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/09 20. Februar 2009

"Das ist eine Verhöhnung der Opfer"
Geschichtspolitik: Straßenschlachten und Rockmusik als Gegenprogramm zum Gedenken an die Dresdner Bombenopfer
Paul Leonhard

Nicht Dresden war es, das da am Freitag und Sonnabend vergangener Woche demonstriert hat. Es waren gewaltbereite Linksextremisten, Gewerkschafter und politische Demo-Touristen aus ganz Deutschland, die unter anderem gegen den Trauermarsch der NPD-nahen Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland mobil machten.

Die Dresdner, insbesondere die der Erlebnisgeneration der Bombenangriffe vom Februar 1945, haben auf ihre Weise gegen die immer stärkere Politisierung des Gedenkens protestiert: Sie sind vielfach zu Hause geblieben und haben in den eigenen vier Wänden der schätzungsweise mehr als 35.000 Bombentoten und der Zerstörung ihrer Stadt gedacht. Und sie haben entsetzt am Fernseher erlebt, wie die Polizei am 14. Februar die Innenstadt abriegelte. Mehr als 4.000 Polizisten bereiteten sich auf die Anreise von Demonstranten - darunter 3.500 gewaltbereite Linksextremisten, - aus ganz Deutschland und dem Ausland vor.

Die Mehrheit der über 60 Jahre alten Elbestädter, deren Leben bis heute von den Schrecken der anglo-amerikanischen Terrorangriffe geprägt ist, ist in diesem Jahr um ihr traditionelles stilles Gedenken betrogen worden.

Daß der Gedenktag zu einem politischen Spektakel werden würde, hatte sich frühzeitig abgezeichnet. Die friedlichen Trauermärsche, die seit 1991 erst die Junge Landsmannschaft Ostpreußen und später die Junge Landsmannschaft Ostdeutschland veranstaltet, waren linken Kräften immer ein Dorn im Auge. Bisher hatten sie aber noch nie die Kraft aufgebracht, derart massiv wie jetzt am 14. Februar vorzugehen. "Die stille Erinnerung an die Opfer in Dresden droht zwischen rechtsextremistischen und linksautonomen Aufmärschen zerrieben zu werden", warnte der CDU-Landtagsabgeordnete Volker Bandmann.

Ein im Herbst erfolgter Vorstoß der CDU, Demonstrationen an den geschichtlich sensibelsten Stellen Dresdens wie dem Altmarkt und dem Neumarkt mit der Frauenkirche zu verbieten, wurde vom Koalitionspartner SPD wegen verfassungsrechtlicher Bedenken abgeschmettert.

Linksextremisten zetteln Straßenschlachten an

Gewerkschafter, Sozialdemokraten und gewendete Einheitssozialisten benötigen offenbar im Wahljahr Krawall, um auf sich aufmerksam zu machen. Um genügend Menschen für ihre "Gegendemonstration" auf die Beine zu bekommen, organisierte der DGB deutschlandweit kostenlose Zubringerbusse. Auch die Organisatoren des Trauermarsches griffen auf personelle Hilfe aus anderen Bundesländern und sogar aus Schweden, der Slowakei und der Tschechei zurück. Letztlich versammelten sich zum Trauermarsch 6.000 Teilnehmer und laut Polizei 6.500 Gegendemonstranten.

Die NPD präsentierte mit dem ehemaligen Luftwaffenoberst und Eichenlaubträger Hajo Hermann einen Gedenkredner, der schon als Bomberpilot im spanischen Bürgerkrieg im Einsatz war und später England bombardierte. Hermann war für die linken Demonstranten der lebende Beweis, daß der Zweite Weltkrieg mit dem Einsatz der Legion Condor gegen das republikanische Spanien begonnen habe. In der Nacht zum 14. Februar 1945 sei der "Schrecken des Krieges, von Deutschland aus in alle Welt getragen, auch in unsere Stadt zurückgekehrt", sagte CDU-Oberbürgermeisterin Helma Orosz. Gleichzeitig unterstellte sie der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland Revanchismus: "Die Neonazis setzen auf Rache. Wir setzen unseren Willen zum Frieden dagegen." Wenigstens bewies die Sachsen-Union soviel Anstand, der "Geh Denken"-Demonstration fernzubleiben.

Auf dem Theaterplatz feierte eine linke Allianz mit Berufspolitikern wie Gregor Gysi (Linkspartei), SPD-Chef Müntefering und der Grünen Claudia Roth mit Popmusik, Fahnen und Trommeln auf ihre Weise die sinnlose Zerstörung einer Kulturstadt kurz vor Kriegsende. Gleichzeitig lieferten sich Linksextremisten Straßenschlachten mit der Polizei. Wenigstens der Dresdner CDU-Vorsitzende Lars Rohwer fand bei soviel Zynismus den Mut, sich mit dem Satz zitieren zu lassen: "Wir brauchen keine Instrumentalisierung dieses schicksalhaften Tages durch wahlkämpfende linke Bundespolitiker. Wir brauchen keine zu Rockmusik tanzenden Linken auf dem Opernplatz. Das ist eine Verhöhnung der Opfer."

Die Polizei sucht derweil nach drei Rechtsextremisten aus Schweden, die auf der Rückreise von Dresden bei einem Angriff auf Gewerkschafter auf einem Autobahnrastplatz einen 40 Jahre alten Mann schwer verletzt haben sollen.

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