© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/09 13. Februar 2009

CD: Rock
Wuchtig
Michael Insel

Ihren Plattenvertrag mit EMI bekamen sie, als die Band gerade erst ein halbes Jahr bestand. Innerhalb von fünfzehn Monaten arbeiteten sie sich von Kneipen-Konzerten in Shepherds Bush zu drei ausverkauften Abenden hintereinander im renommierten Hammersmith Odeon hoch. Sie haben vor Tausenden von Zuschauern gespielt, waren mit Stadion-Rockern wie Aerosmith, Van Halen und Bon Jovi auf Tournee. Und ganz bescheiden bezeichneten sie sich selber als "die größte Rock'n'Roll-Band, die kein Mensch kennt": Sie sind die britische Blues-Rock-Gruppe Thunder, und mit ihrem neunten Studioalbum "Bang!" lassen sie es zur Feier des 20jährigen Band-Jubiläums gewaltig krachen.

Thunder entstand 1989 aus dem, was nach einer Bruchlandung wegen Rangeleien im Cockpit von Luke Morleys und Danny Bowes' Band Terraplane übrigblieb. Statt des radio-freundlichen Melodic Rock, der den Entscheidungsträgern bei der Plattenfirma vorschwebte, wollten Gitarrist Morley und Frontman Bowes, alte Freunde aus Schulzeiten, und ihr Schlagzeuger Gary "Harry" James lieber aggressiven Blues-Rock im Stil von Siebziger-Jahre-Größen wie Free, Deep Purple oder Bad Company spielen. Mit tatkräftiger Unterstützung von Ben Mathews (Keyboard) und Mark "Snake" Luckhurst an der Baßgitarre (der Thunder 1992 wieder verließ, der heutige Baßgitarrist Chris Childs ist seit 1997 dabei) gelang der Band ein kometenhafter Aufstieg.

Ihr Debütalbum "Back Street Symphony" (1990) und der Nachfolger "Laughing On Judgement Day" (1992), beide produziert von Duran Durans Gitarristen Andy Taylor, erhielten nicht nur gute Kritiken, auch die Verkaufszahlen konnten sich sehen lassen - nur Kylie Minogue stand zwischen Thunders zweiter Platte und dem Spitzenplatz in den britischen Albumcharts.

Leider sollte die australische Pop-Diva längst nicht ihr größtes Problem bleiben - die musikalische Großwetterlage begann sich zu ändern, die Gewitterwolken zogen ab und am Horizont die düsteren Klangfarben des Grunge herauf. Trotz weiterer erfolgreicher Tourneen verkauften sich die weiteren Platten schlecht, und im Mai 2000 spielten Thunder ihr vermeintliches Abschiedskonzert im Londoner Szeneviertel Camden. In Wirklichkeit nahmen sie lediglich zwei Jahre Urlaub voneinander, vertrieben sich die Zeit mit Soloprojekten und tingelten 2002 auf einer "Monsters of Rock"-Tour mit Alice Cooper als Zugpferd wieder gemeinsam durch England. Wenig später erschien das erste Album auf Thunders eigenem Label STC Records und fand bei Fans und Fachpresse ebenso Anklang wie seine nicht minder soliden Nachfolger.

"Bang!" (STC/Frontiers) wurde im südenglischen Walton Castle aufgenommen, denn - wie es sich für echte Rockstars gehört - "wir kennen wir die Burgherrin Marge seit Jahren", so Bowes. Die Band macht das, was sie am besten kann - süffigen Blues-Rock und wuchtige Balladen, alles kongenial abgerundet durch Bowes' ausdrucksvolle Gesangsstimme. Das Album beginnt trotzig mit dem hymnischen Kracher "On the Radio", während "Stormwater" die Narben beklagt, die der Hurrikan Katrina hinterlassen hat. In den folgenden Blues-Rockern mit Country-Einschlägen siegt dann der Klang über den Donner - das beste Stück ist "One Bullet", eine Akustik-Ballade mit Flamenco-Schnörkeln.

Ein sicherlich sehenswertes Konzert im Berlin-Kreuzberger Club Kato am Mittwoch, den 18. Februar bildet den Auftakt zu einer zehntägigen Deutschland-Tournee - weitere Stationen sind Hannover, Bochum und Osna­brück, bevor es in den Süden der Republik und anschließend nach Japan weitergeht, wo die Flamme des Heavy Metal und Melodic Rock so ehrfürchtig am Brennen gehalten wird wie in keinem westlichen Land.

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