© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/09 06. Februar 2009

Frisch gepresst

Europa anthropologisch. "Moderne" Begriffslexika vergessen beim Wort "Rasse" nie das Diktum des französischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss: Es stehe für die "Erbsünde der Anthropologie". Sie bewirkte die Biologisierung der Politik, die auf eine Rechtfertigung von "Ungleichheiten" hinauslaufe und sich gegen die "allgemeinen Menschenrechte und Demokratie" wende. Immerhin erschien Lévi-Strauss aber die Proklamation der natürlichen Gleichheit aller Menschen als abstraktes Ideal höchst problematisch, da es die Verschiedenheit der Kulturen bedrohe. An der Gleichsetzung von "Rasse" und "Rassismus" änderten derlei Bedenklichkeiten bis heute freilich nichts. So stößt eine "Anthropologie Europas" (Völker, Typen und Gene vom Neandertaler bis zur Gegenwart. Ares Verlag, Graz 2008, gebunden, 448 Seiten, Abbildungen, 39,90 Euro), wie sie Andreas Vonderach vorlegt, automatisch auf Rezeptionsbarrieren. Zumal der Autor (Jahrgang 1964) sich dazu bekennt, ein später Schüler der Anthropologin Ilse Schwidetzky (1907-1997) gewesen zu sein, die sich 1937 in Breslau mit einer "Rassenkunde der Altslawen" habilitierte und die im Kontext jüngsten medialen Kesseltreibens gegen die "Ostforschung" zur wichtigsten Exponentin "unheilvoller Traditionen" in der Humanbiologie aufgebaut wurde. Davon unberührt, ist Vonderach ein sachliches, allerdings nicht leicht zu lesendes Werk gelungen, das auch die kontroversen Diskussionen referiert, die biologische Deutungsmodelle in den Kulturwissenschaften stets auslösten. Im deskriptiven zweiten Teil, der alle "Länder und Völker Europas" kurz vorstellt, muß Vonderach durchweg auf Bildmaterial aus der Zeit vor 1945 zurückgreifen.

Politische Korrektheit. Daß eigentlich harmlose Äußerungen zum Nationalsozialismus einem schnell zum Strick werden können, haben die Fälle Jenninger, Hohmann, Herman nur all zu deutlich gezeigt. Oftmals werden die gewählten Worte von Gegnern bewußt im Mund umgedreht, um dann mittels einer sich steigernden medialen Empörungsmaschinerie den "Delinquenten" zur Rücknahme des Gesagten oder besser noch zum Rücktritt zu bewegen. Diesem relativ neuen politischen Handlungsfeld in der Bundesrepublik, dem "Feld der Sprachpolitik", widmet nun der Wallstein Verlag ein ausführliches Werk (Lucian Hölscher, Hrsg.: Political Correctness. Der sprachpolitische Streit um die nationalsozialistischen Verbrechen. Göttingen 2008, broschiert 227 Seiten, 29,90 Euro.) Neben den historischen Hintergründen der Sprachpolitik, einer Dokumentation der Fälle Nolte, Jenninger, Heitmann, Walser, Möllemann und Hohmann bietet das Buch zudem Interviews mit Vertretern aus Medien, Wissenschaft und Politik über deren Erfahrungen mit politisch inkorrekter Sprache.

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