© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/09 30. Januar 2009

"Hetzjagd gegen die Freiheitlichen"
Österreich: FPÖ-Abgeordnete Winter wegen Islam-Kritik in erster Instanz verurteilt / Parallelen zum Fall Wilders
Peter Wassertheurer

Am 1. März finden in Kärnten und Salzburg Landtagswahlen statt. Dabei könnte die FPÖ - wie schon bei der vorgezogenen Nationalratswahl (JF 41/08) - die bisherigen Mehrheitsverhältnisse erneut durcheinanderwirbeln. Und das spürt man in Österreich. Der Wahlauftakt wird derzeit von zwei freiheitlichen Politikern bestimmt, Susanne Winter und Martin Graf. Die 51jährige FPÖ-Nationalratsabgeordnete wurde am 22. Januar wegen "Verhetzung" (§ 283 des österreichischen Strafgesetzbuches) und "Herabwürdigung religiöser Lehren" (§ 188) zu einer Haftstrafe von drei Monaten auf Bewährung und zu einer Geldstrafe von 24.000 Euro verurteilt. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.

Gegen den dritten Nationalratspräsident Martin Graf läuft seit Ende Dezember eine von dem grünen Nationalratsabgeordneten Karl Öllinger ausgelöste neue Medienkampagne. Nachdem Grafs von Grünen und SPÖ-Jugend skandalisierte Mitgliedschaft in der Wiener Burschenschaft Olympia seine Wahl nicht verhindern konnte (JF 45/08), wurde krampfhaft nach weiterer "Munition" gesucht. Anlaß zur Kritik sind nun zwei seiner jungen Mitarbeiter, die vor fünf Jahren bei dem damals im thüringischen Gera residierenden und als NS-nostalgisch geltenden "Aufruhr-Versand" Bestellungen gemacht haben sollen.

Worum geht es konkret? Vor einem Jahr hatte Winter als FPÖ-Spitzenkandidatin für den Grazer Gemeinderat nicht nur ein Bauverbot für Moscheen oder "Minus-Zuwanderung für muslimische Einwanderer" gefordert. Auf dem Neujahrstreffen ihrer Partei attackierte sie nun auch den Propheten Mohammed. Dieser wäre wegen seiner Heirat mit einem minderjährigen Mädchen nach heutigen Maßstäben ein "Kinderschänder". Außerdem sei er ein "Feldherr" gewesen, der den Koran in "epileptischen Anfällen" geschrieben habe. Der Islam sei ein "totalitäres Herrschaftssystem" und gehöre "dorthin zurückgeworfen, wo er hergekommen ist, hinter das Mittelmeer". Die Folge war zunächst ein mediales Trommelfeuer gegen Winter, das die FPÖ-Stammwähler aber nicht beeindruckte: Die FPÖ legte bei der Wahl am 20. Januar 2008 um drei Prozentpunkte auf 11,1 Prozent zu und ist seither mit sechs Abgeordneten im Gemeinderat und sogar einen Sitz im Stadtsenat (der Grazer Regierung) vertreten. Zudem wurde die Grazer Staatsanwaltschaft aktiv und klagte Winter - seit Oktober Nationalratsabgeordnete in Wien - wegen verbaler Delikte an.

Herbert Kickl sprach als FPÖ-Generalsekretär von einem "Schandurteil" und einem weiteren "Tiefpunkt in der kollektiv ausgerufenen Hetzjagd gegen die Freiheitlichen". FPÖ-Chef Heinz Christian Strache stellt sich weiter hinter Winter, die lediglich "den Schutz der Kinder hochgehalten" habe. "Es gibt in Österreich Einwanderungslawinen und auch radikal-islamische Tendenzen. Wir lassen uns hier sicherlich nicht den Mund verbieten."

Der katholisch-konservative Ex-FPÖ-Politiker Ewald Stadler, der über Jörg Haiders Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) in den Nationalrat gewählt wurde, erwartet sich hingegen künftig solche Urteile auch bei Herabwürdigung des Christentums. Der Strafrechtler Hubert Hinterhofer meinte, das Urteil habe "Sprengkraft" und schaffe das Rechtsbewußtsein, "daß man diesen Schritt gehen kann", erklärte der Professor von der Universität Salzburg in den Salzburger Nachrichten. "Wenn diese Straftatbestände nicht nur Symbolkraft haben sollen, muß man fragen: Wann, wenn nicht im Fall Winter muß es eine Verurteilung geben?" Religionskritische Künstler hätten hingegen nichts zu befürchten: "Meinungsfreiheit stößt in Österreich schneller an Grenzen als Kunstfreiheit."

Winter selbst zeigte sich wenig beeindruckt von dem Urteil. Auf die Frage der Richterin, ob sie solche Aussagen wiederholen würde, meinte sie: "Es sind Kernbotschaften, die die FPÖ weiter vertreten muß - wenn vielleicht auch anders formuliert." Winter will nun in Berufung gehen.

Das Islam-Urteil von Graz könnte jedoch kein Einzelfall bleiben. Denn ein Amsterdamer Gericht entschied fast zeitgleich, daß die gegen den Chef der rechtsliberalen Partei für die Freiheit (PVV), Geert Wilders, im Juni 2008 eingestellten Ermittlungsverfahren neu aufgenommen werden müssen. Gegen den 45jährigen niederländischen Parlamentsabgeordneten müsse wegen des Verdachts auf Diskriminierung, des Aufrufs zum Haß und der Beleidigung einer Bevölkerungsgruppe erneut ein Strafverfahren eingeleitet werden.

Anlaß ist Wilders' islamkritischer Kurzfilm "Fitna" (JF 15/08). Wegen der Einstellung des Verfahrens und weiterer islamkritischer Medienäußerungen hatten mehrere muslimische Organisationen und Einzelpersonen erfolgreich Rechtsmittel eingelegt. Wilders sieht darin einen "schwarzen Tag für die Meinungsfreiheit in unserem Land". Er hält den Islam dennoch weiter für unvereinbar mit Freiheit und Demokratie. Wilders ist zuversichtlich, auch diesmal nicht bestraft zu werden.

Im vergangenen Dezember wurde "Fitna" übrigens im israelischen Parlament mit großem Beifall öffentlich aufgeführt. Im Frühjahr soll dann in der Knesset sogar eine Konferenz unter dem Titel "Facing Jihad" stattfinden, bei der neben Wilders auch rechte Islam-Kritiker aus den USA und anderen europäischen Ländern teilnehmen sollen. Initiator ist der Ex-General und Knesset-Abgeordnete Aryeh Eldad von der rechten Moledet-Partei, die der israelischen Siedlerbewegung nahesteht. Ob auch der belgische Vlaams Belang eingeladen wird, ist noch unklar.

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