© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/09 30. Januar 2009

Kolumne
Fauler Zauber
Thor Kunkel

In einer Zeit des blanken Materialismus erlebt ausgerechnet der Spiritismus ein kleines, unverschämtes Comeback. Freilich nur in gröbster und volkstümlichster Form als Pro7-Fernsehshow mit dem Titel "The Next Uri Geller", ein  "Event", dem die jugendlichen Zuschauer weniger gute Einschaltquoten beschert haben. Für Gellers paranormalen Zirkus ist daher schon zum Auftakt der zweiten Staffel ein Aus vorprogrammiert.

Die Älteren mögen sich noch an den charismatischen Löffelverbieger erinnern, der anno 1974 - in Wim Thoelkes "Drei mal neun" - seine vom ZDF ausgestrahlten übernatürlichen Kräfte an Omas Besteck  abreagierte. Schon damals war das Fernsehen Gellers Komplize. Und schon damals verebbte das Geller-Fieber so schnell, wie es kam. Die neue Show ist eine biedere Mischung aus Psycho-Gebabbel und "Twilight-Zone" für vermeintliche Realisten. Magier wie Vincent Raven plaudern so halb und halb aus dem Nähkästchen, aber auch unbekannte "Mentalisten" kommen zum Zug, um - nur zum Beispiel - "physikalische Gesetzmäßigkeiten" aufzuheben. Der feine Zergliederungsverstand des Zuschauers ist also gefragt und gefordert. Ein Zyniker würde wohl sagen, daß es der genasführten Masse durchaus gefällt, von einem Könner hinters Licht geführt zu werden (Man denke nur an die US-Präsidentschaftswahl. Was für ein Weltklasse-Zauber.)

Versierte Modemagier gab es übrigens schon immer, man erinnere sich nur an Cagliostro oder Dr. med. Albert Freiherr von Schrenck-Notzing, dessen spiritistische Sitzungen selbst Thomas Mann in ihren Bann zogen. Tatsächlich sah der Dichterfürst das "Materialisationsphänomen einer Geistergestalt". Wer möge es da den Pro7-Zuschauern verübeln, wenn sie auf etwas hoffen, das ihnen eine geheime, überirdische Welt suggeriert? Der Gedanke des Übersinnlichen scheint auch andere Sender zu faszinieren: So zeigt das SWR Fernsehen den Vierteiler "Die Macht der Gedanken" (Do., 29. Januar und 5., 12., 26. Februar, je 22.30 Uhr), in dem unter anderem Lilo von Kiesenwetter, die Hellseherin der Prominenten, und der Hypnotiseur Wolfgang Künzel alias "Alexander Cain" zu Wort kommen. Harry Potters Hexenschule läßt grüßen. Geller wird diese Konkurrenz eher schaden.

Der Volksmund ist Realist und nennt das Kind gern beim Namen. Bekanntlich gab und gibt es nur einen Rudi Völler. Warum zum Teufel sollte es also einen anderen Uri Geller geben? Es gibt nur einen, und vom dem hat die Welt schon mehr als genug.

 

Thor Kunkel ist Schriftsteller und unter anderem Autor des Bestseller-Romans "Endstufe".

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