© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/09 30. Januar 2009

Die nächste Blase wächst
Währungsdämmerung: Die neue Angst vor Hyperinfl ation und Staatsbankrott
Bruno Bandulet

Manchmal wünscht man sich, nicht recht behalten zu haben. Wie oft wurde - auch in dieser Zeitung - vor den Konstruktionsfehlern des Papiergeldsystems im allgemeinen und des Euro im besonderen gewarnt, wie oft haben klarsichtige Beobachter wie Joseph E. Stiglitz (siehe Interview auf Seite 3) gewisse Entartungserscheinungen der Globalisierung angeprangert - es waren nur einsame Rufe in der Wüste. Jetzt sind die Illusionen geplatzt. Was 2007 als amerikanische Immobilienkrise sichtbar wurde und dann zur Bankenkrise und schließlich 2008 zur Systemkrise eskalierte, bedroht inzwischen das gesamte Weltwährungssystem.

Bevor wir über die Konsequenzen des Debakels nachdenken, müssen wir uns über die Ursachen im klaren sein. Ja, die Banker waren gierig, aber ihre übermäßige Profitsucht war nur ein Symptom des billigen und leichten Kredits und eine Begleiterscheinung des angelsächsischen Finanzkapitalismus, der immer nur Geld hin- und herschob, der Blasen erzeugte, anstatt Werte zu schaffen.

Den grundlegenden Unterschied zum bewährten deutschen Produktionsregime kann man sehr schön bei Werner Abelshauser in seinem Buch "Kulturkampf" nachlesen. Es war eine auch von deutschen Politikern bewunderte und von den Banken beflissentlich imitierte Geldkultur (unter anderem auch die Übernahme amerikanischer Bilanzregeln), die ins Verderben führte. Nur etwas mehr Selbstbewußtsein und Distanz, und die Geldmanager hätten sich die Schrottpapiere aus Übersee nicht andienen lassen.

Um eine Wiederholung der Depression der dreißiger Jahre zu verhindern, haben Regierungen und Notenbanken die Geldschleusen weit geöffnet. Sie inflationieren, weil ihnen nichts Besseres einfällt. Sie verschieben die Schulden von den Banken und Unternehmen auf den Staat. Sie sind dabei, ihre Währungen zu ruinieren.

Neuerdings wird über einen drohenden Zusammenbruch des Euro-Systems spekuliert. Dahinter stehen sicherlich auch Finanzjongleure in London und New York, die sich entsprechend positioniert haben. Es stimmt, daß der Euro zum ersten Mal seit seiner Einführung als Buchgeld im Januar 1999 in schweres Fahrwasser geraten ist. Nur wird sich noch herausstellen, daß die Probleme des Dollar größer und nahezu unlösbar sind.

In den USA gehen gegenwärtig jeden Monat 500.000 Arbeitsplätze verloren, und bei den Gewerbeimmobilien, den Auto- und Verbraucherkrediten im Umfang von zwei Billionen Dollar wird es erst noch krachen. Die eigentliche Achillesferse der USA bleibt jedoch die Abhängigkeit von fremdem Kapital. 52 Prozent der US-Staatsanleihen liegen in ausländischer Hand! Die schnell liquidierbaren Vermögenswerte der Ausländer in den USA (d.h. ohne Unternehmensbeteiligungen und Immobilien) summieren sich auf zwölf Billionen. Davon werden die Europäer, die Japaner und die Araber einen um so größeren Teil repatriieren müssen, je mehr sich die globale Krise zuspitzt. Dieser Prozeß hat noch nicht einmal begonnen. Bisher waren es die Amerikaner, die ihr Geld von den ausländischen Börsen vor allem in Asien, aber auch in Deutschland abgezogen haben. Das half dem Dollarkurs. Sobald umgekehrt das Ausland aus dem Dollar geht und repatriiert, wird er abstürzen.

Der Euro kam ins Gerede, nachdem eine führende amerikanische Rating-Agentur, Standard & Poor's, in diesem Januar die Bonitätsbewertung von Griechenland, Portugal und Spanien abgesenkt hat - allerdings nicht auf Ramschniveau, wie in manchen Internetforen zu lesen ist. Irland, Italien und Großbritannien, das der Eurozone nicht angehört, könnten demnächst folgen. Daß Griechenland jetzt für seine Staatsschulden doppelt so hohe Zinsen zahlen muß wie Deutschland, ist ein böses Omen für die Eurozone.

Nur werden die Europäische Währungsunion und die EU nicht so schnell auseinanderbrechen. Vorher werden der IWF und Brüssel mit Krediten einspringen; Italien kann notfalls seine ansehnlichen Goldreserven verpfänden; und schließlich wird - wie üblich - der Nettozahler Deutschland zur Kasse gebeten. Ein naheliegender Trick bestünde in einer Gemeinschaftsanleihe der EU-Länder. Steinbrück hat das abgelehnt, hoffentlich bleibt er hart. Richtig ist, was der frühere Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing, kürzlich vor geladenen Gästen in Frankfurt sagte: Wenn die ehemaligen Schwachwährungsländer nicht zu einer strengen Austerity-Politik bereit sind, d.h. den Gürtel sehr eng schnallen, droht das Euro-System zu zerbrechen.

Die Wackelkandidaten wurden bekanntlich unter Mißachtung der Konvergenzkriterien des Maastrichter Vertrages in die Währungsunion aufgenommen. Sie hätten nie beitreten dürfen. Reif für den Euro war nur der um Deutschland und Frankreich gruppierte Kern der Gemeinschaft. Gut möglich, daß der Euro in der jetzigen Form die nächsten Jahre nicht überleben wird.

Es wäre noch der gnädigste Ausgang, wenn die Krise in eine neue Inflation mündet, die es erlaubt, die ausufernden Staatsschulden zu entwerten. Diese liegt in der Absicht der Geldpolitiker, und sie wird wahrscheinlich gelingen. Während die USA dabei sind, für die Rettung des Systems real mehr Geld auszugeben als für den Zweiten Weltkrieg, versucht die Bundesregierung beim Schuldenmachen zu bremsen. Das wird sich auszahlen, weil sie nur so die Zinsen, die auf ihre Anleihen zu zahlen sind, relativ niedrig halten kann.

Letzten Endes ist eine grundlegende Reform des Weltwährungssystems unumgänglich. Theoretisch wäre die beste Lösung eine Rückkehr zum Gold, das sich nicht nur im Vergleich zum Dollar, sondern von Anfang an auch zum Euro als die härtere Währung erwiesen hat. Der Nachteil des Goldes aus Sicht der Politiker liegt darin, daß es nicht beliebig vermehrbar ist und daß sich mit einer Goldwährung weder teure Kriege noch Wahlgeschenke nach Belieben finanzieren lassen. Nicht die Wirtschaft, sondern das Geldsystem ist unser Schicksal.

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