© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/09 23. Januar 2009

"Reine Provokation"
Polizeieinsatz in Duisburg: Vollstrecker zugewanderten Volksempfindens
Doris Neujahr

In Duisburg in Nordrhein-Westfalen, dem Herrschaftsgebiet von CDU-Politikern wie Rüttgers, Laschet, Schramma & Co., haben Polizisten im Verlauf einer Demonstration der islamistischen Milli Görüs gewaltsam israelische Fahnen entfernt. Die Beamten traten dazu zwei Wohnungstüren ein. Der Einsatzleiter begründete die Maßnahme damit, daß die muslimischen Mitbürger "emotional schnell in Fahrt" gerieten und die Flaggen "reine Provokation" gewesen seien.

Ein kritisches Verhältnis zur israelischen Politik ist angebracht, doch darum geht es nicht. Israel unterhält zu Deutschland diplomatische Beziehungen, seine Fahne ist weder verboten noch sittenwidrig. Unter dem Eindruck latenter Gewalt hat die Polizei sich zum Vollstrecker zugewanderten Volksempfindens gemacht. Wenn 300 Polizisten gegen 10.000 heißblütige Demonstranten stehen, ist das Kräfteverhältnis eben eindeutig. Das wirft die Frage auf, wieviel die Meinungsfreiheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung wert sind, wenn die Bevölkerungsstruktur sich noch weiter verschiebt und die Konflikte entlang ethnischen, kulturellen, religiösen Grenzen schärfer werden?

Der Philosoph Giogio Agamben beschreibt in dem Buch "Ausnahmezustand" ein künftiges Zeitalter der Gesetzlosigkeit, der "Anomie". Im Extremfall fluktuiere die Gesetzeskraft "wie ein unbestimmtes Element, das sowohl von der Staatsmacht beansprucht werden kann (...) als auch von einer revolutionären Organisation (...). Der Ausnahmezustand ist der anomische Raum, in dem eine Gesetzeskraft ohne Gesetz (...) zum Einsatz kommt."

Die muslimische Zuwanderung ist dabei, sich in Deutschland als revolutionäre Bewegung zu etablieren. Ihr politisch-religiöser Furor wird befeuert vom youth bulge, dem Überschuß an männlichen Jugendlichen, die sich Rang und Prestige in der Gesellschaft nur irregulär verschaffen können. Die revolutionäre Tendenz trifft einen Staat, der selber das permanente Ausnahmerecht auf evolutionäre Weise eingeführt hat, indem er die Gewährung von Freiheitsrechten vom Bekenntnis zur bundesdeutschen Schuldreligion abhängig macht.

Die Synthese aus revolutionärer und evolutionärer Tendenz führt zu dem Paradox, daß der Staat den virtuellen "Kampf gegen Rechts" ständig verschärft, gleichzeitig aber den Heißblütigen aggressive Judenfeindschaft nachsieht. Machtpolitisch ist die Synthese jedoch nachvollziehbar, denn das antifaschistisch-evolutionäre Ausnahmerecht verhindert die Kritik an der islamisch-revolutionären Transformation, die wiederum den Legitimationsverlust der Funktionseliten nach sich ziehen würde.

Das Ergebnis dieses synthetischen Prozesses ist ungewiß. Manche, die das Ausnahmerecht vorangetrieben und von ihm profitiert haben, ahnen inzwischen Schlimmes. So Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, der kritisierte, beim Duisburger Polizeieinsatz dränge sich "der Eindruck der Parteinahme auf". Stimmt! Nur konnte es Kramer bisher gar nicht parteiisch genug zugehen, stets fand er für antifaschistisches Faustrecht freundliche Worte. Er hat nicht bedacht, daß die Entwicklung sich gegen ihn wenden könnte, sobald die ethnisch-kulturellen Machtverhältnisse sich verschieben.

Die schizophrene Kombination aus Schuldreligion und Islamisierung beschädigt auch ihre lautesten Sachwalter. Kölns CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma nannte die Teilnehmer des Anti-Islamisierungskongresses am 20. September 2008 die "verfaulte Clique des Eurofaschismus" und "braune Soße, die in die Toilette gehört". SPD-Bezirksbürgermeister Josef Wirges ergänzte: "Soll die braune Soße doch im Rhein versinken." Dieses Fäkalniveau ist Ausdruck sadistischer Phantasien, mit denen sie die Anspannungen kompensieren, die ihnen die parallele Exekution der zwei Formen gesetzesloser Gesetzeskraft, der evolutionären und der revolutionären, bereitet. Sie führt zur schleichenden Zerstörung der Vernunft, des Gewissens, des Realitätssinns.

Armin Laschet, Integrationsminister von NRW, erklärte nach dem niedergeschlagenen Anti-Islamisierungskongreß, er habe als Teilnehmer einer Menschenkette eine Moschee persönlich "geschützt". Am vergangenen Wochenende wurden in Duisburg die jugendlichen Träger einer israelischen Fahne mit Knallkörpern und Gegenständen beworfen. Doch wo war Laschet? Die sich in martialischen Ansagen gegen eine wehrlose Rechte gefallen, haben, wo es drauf ankommt, die Hosen voll! Das riechen auch die Polizisten. Wer kann es ihnen verdenken, daß sie sich an den neuen, ungebrochenen Autoritäten auszurichten beginnen, die sich jetzt etablieren, wenn der Staat und seine berufenen Vertreter ihnen keinen Rückhalt mehr bieten?

Foto: Aktion der Polizei gegen eine Israel-Fahne (10. Januar 2009)

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