© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/09 23. Januar 2009

"In meinen Adern fließt deutsches Blut"
Kolonialgeschichte: Seit 18 Jahren kämpft der Enkel eines deutschen Tropenarztes aus Togo verbissen um die deutsche Staatsbürgerschaft
Marc Zöllner

Achtzehn Jahre lang kämpfte er darum, dazuzugehören. Achtzehn Jahre dauerte es, bis er feststellte, daß sich Gesetze nicht mit bloßer Willenskraft überwinden lassen. Als Gerson Liebl 1991 aus Togo nach Deutschland kam, war er zuversichtlich. Deutscher sei, "wer von Deutschen abstammt", meinte er. Stolz fügte er hinzu: "In meinen Adern fließt das Blut eines Deutschen."

Sein Großvater stammte aus Straubing und war Tropenmediziner. Im Jahre 1908 reiste er nach Togo, um dort an einem kleinen Krankenhaus zu arbeiten. Togo galt zu jener Zeit als deutsche Vorzeigekolonie. Dort existierte ein für afrikanische Verhältnisse einzigartiges Bildungs- und Gesundheitssystem. Straßen wurden gebaut, zwei Eisenbahnlinien aus dem Boden gestampft. Als einzige deutsche Kolonie konnte Togo einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen.

Fritz Liebl, Gersons Großvater, lebte sich gut ein. Ein Jahr später kam es zu einer arrangierten Hochzeit mit der Häuptlingstochter Edith Kokoè Avajon. Ob diese Entscheidung der Liebe entsprang, ist nicht ergründbar. Fritz Liebl selbst schrieb seiner Mutter damals, er habe "nach Landessitte geheiratet". Sie solle sich jedoch nicht fürchten, er bringe ihr "keine schwarze Schwiegertochter mit, das ist hier nur so eine Formalität, die weiter keine Bedeutung hat".

Bedeutung besaß diese Hochzeit für die deutschen Kolonialbehörden tatsächlich nicht. Eheschließungen zwischen Deutschen und Eingeborenen waren formell nicht möglich. Ein entsprechender Paragraph des Schutzgebietsgesetzes von 1901 gestattete zwar Trauungen, wenn sie sich an die Bedingungen einer kaiserlichen Verordnung hielten. Eine diesbezügliche Order wurde vom Kaiser jedoch nie erlassen.

Gerson Liebl schäumt vor Wut beim Gedanken an "dieses rassistische deutsche Gesetz". Denn da es sich bei solchen Vermählungen lediglich um Stammeshochzeiten handelte - ohne Aufsicht durch ein zuständiges Standesamt -, wurden die Sprößlinge nicht als Deutsche anerkannt. Das damalige Staatsangehörigkeitsgesetz bezeugte klar: "Durch die Geburt erwirbt das eheliche Kind eines Deutschen die Staatsangehörigkeit des Vaters, das uneheliche Kind eines Deutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter."

So sah es 1992 auch die Ausländerbehörde der Stadt Pirmasens und 1993 das zuständige Verwaltungsgericht. Aber  Gerson Liebl wollte sich nicht fügen. Mühsam behalf er sich mit dem Argument, es habe in diesem Zeitraum keine rechtskräftige Eheschließung in Togo geben können, da kein Standesamt vor Ort existierte. Und tatsächlich: Nach intensiven, von seinen Anwälten beim Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Auftrag gegebenen Recherchen ergab sich, daß es zwar "in Togo ein solches Standesamtregister gegeben haben soll". Das Problem liege jedoch darin, daß "von den in traditioneller Weise lebenden Einheimischen niemand wissen konnte, daß ein solches Register existierte", so das Institut. Aus rassistischen Gründen wollte man damals eine Eheschließung zwischen Deutschen und Togoern vermeiden - soweit ist sich Liebl sicher. "Solange das ehemalige rassistische Gesetz weitergeführt" werde, schrieb er, sei für ihn der Fall noch nicht abgeschlossen.

Seit 1991 mögen sich Liebls Motive im Kampf gegen die Justiz gewandelt haben. Achtzehn Jahre zehren; auch an der Wahrnehmung der Wirklichkeit. Er möchte "keine Einbürgerung haben", betont Liebl vor seinem Berliner Rechtsanwalt. Er sei "Deutscher durch Abstammung" und fordere lediglich sein Recht. Auf seiner Internetseite klingt es freilich anders, wenn er darüber dichtet, "einsam in einem fremden Land" zu verweilen. Wie lange er sich noch in Deutschland aufhalten wird, ist ungewiß. Seit Dezember sitzt Liebl in Abschiebehaft.

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