© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/09 23. Januar 2009

Stimmungsmache im Gerichtssaal
Linksextremismus: Mutmaßliche Mitglieder der "militanten Gruppe" präsentieren sich als Opfer des Staates
Hinrich Rohbohm

Entspannt sitzt Axel H. im Saal 700 des Kriminalgerichts von Berlin-Moabit. Manchmal lacht er, tuschelt mit seinen Anwälten und scheint sich über das Gericht lustig zu machen. Doch die Heiterkeit dürfte gespielt sein. Sie gehört offensichtlich zur Verhandlungstaktik. Gericht und Bundesanwaltschaft sollen lächerlich gemacht und der Eindruck vermittelt werden, der Staat schieße mit Kanonen auf Spatzen.

Der Staat ist ohnehin ein rotes Tuch für den 47 Jahre alten Sozialpädagogen und die Mitangeklagten Oliver R. und Florian L. Das Trio war am 31. Juli 2007 festgenommen worden. Laut Anklage hatten sie versucht, in Brandenburg an der Havel drei Bundeswehr-Fahrzeuge in Brand zu setzen. Polizisten hatten den Anschlag jedoch noch rechtzeitig verhindern können.

Nach Auffassung der Bundesanwaltschaft handelt es sich bei den Beschuldigten um Mitglieder der "militanten Gruppe" (mg), einer linksextremistischen Untergrundorganisation, die Anschläge als Teil eines "revolutionären Kampfes" und damit als legitim erachtet.

Die Gruppe soll zwischen Juni 2001 und Mai 2007 insgesamt 25 Brandanschläge im Großraum Berlin verübt haben. Seit dem 25. September vorigen Jahres müssen sich die drei Angeklagten vor Gericht verantworten. Dabei erfahren sie äußerst einflußreiche Hilfe. Jedem von ihnen stehen zwei Anwälte zur Seite. Denn kommt es zu Prozessen gegen Linksextremisten, ist zumeist auch der Republikanische Anwältinnen und Anwälteverein (RAV) auf Seiten der Verteidigung vertreten. So auch in diesem Fall.

Der Verein hat prominente Wurzeln. Zu seinen Gründern zählen unter anderem Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der Ex-Innenminister und ehemalige RAF-Anwalt Otto Schily (SPD) sowie der ebenfalls als RAF-Anwalt bekannt gewordene ehemalige hessische Justizminister Rupert von Plottnitz (Grüne).

Zum Prozeßauftakt hatte sich auch Polit-Prominenz eingefunden. Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke sowie der Theologe und frühere Bundestagsabgeordnete Heinrich Fink von der Linkspartei waren als Beobachter gekommen. Letzterer war laut Birthler-Behörde als "IM Heiner" für die Stasi tätig, indem er die Kirchen bespitzelte und der Behörde meldete, was ihm Studenten in seelsorgerischen Gesprächen anvertraut hatten.

Eine Unterstützungsgruppe für die Angeklagten betreibt Stimmungsmache im Gerichtssaal, lacht mit den Angeklagten, um Richter und Bundesanwalt zu irritieren, betreibt Öffentlichkeitsarbeit.  Ihre Botschaft: Die Täter sind in Wahrheit Opfer des Staates, das Legen von Brandsätzen legitim, weil sich dies gegen Kriegstreiber und Rüstungskonzerne richte. In Wahrheit mache man das alles nur für den Frieden und um Krieg zu verhindern. Krieg ist Frieden. Frieden ist Krieg. Orwells Roman "1984" gewinnt im Saal 700 an Realität.

Zugleich spielen sich die unterschiedlichen linken Netzwerke gegenseitig die Bälle zu. So präsentierte die Unterstützungsgruppe den Medien am 18. Dezember mit dem Griechen Harry Ladis und dem Schweizer Marcel Bosonnet zwei "internationale Prozeßbeobachter", die den Journalisten "ihre Eindrücke von der Verhandlung schildern" sollten. Unerwähnt bleibt in der Einladung jedoch, daß es sich bei Ladis um einen Autor der linksextremistischen Wochenzeitung Jungle World handelt, während Bosonnet den "Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz" angehört. Deren Dachorganisation ist die Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt (EJDM), dem der RAV ebenso angehört wie die auf Initiative der DKP gegründete Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ).

Die Medien übernehmen die Propaganda weitgehend. "Karneval im Gericht", titelte jüngst die linksextremistische Junge Welt über die letzte Verhandlung. Der Grund: Um von linken Gewalttätern nicht erkannt zu werden, betraten die als Zeugen geladenen Polizeibeamten den Gerichtssaal nur verkleidet. Das Blatt verhöhnt den Prozeß als "Komödie" und weist auf Widersprüche in den Zeugenaussagen hin. In der Abendschau des RBB wurde zum Prozeßauftakt bereits in der Anmoderation erklärt, daß ein solcher Vorfall normalerweise nur vor dem Amtsgericht lande und der Verfassungsschutz der militanten Gruppe "wie einem Gespenst" nachjage.

Der Prozeß dürfte noch mindestens bis Mitte Februar andauern. Die Angeklagten waren bereits im November 2007 aus der Untersuchungshaft entlassen worden, nachdem der Bundesgerichtshof entschieden hatte, daß es sich bei der militanten Gruppe nicht um eine terroristische Vereinigung handele.

Foto: Demonstrierende Sympathisanten: "Karneval im Gericht"

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