© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/09 23. Januar 2009

Hessenwahl
Kein Linksruck
Dieter Stein

Hessen ist aus einem Alptraum erwacht. Ein Jahr lang hielt das Bundesland mit der Bankenmetropole Frankfurt am Main eine Schmierenkomödie in Atem. Bei der Landtagswahl im Januar 2008 hatte sich eine knappe rechnerische Mehrheit für ein rot-rot-grünes Bündnis ergeben. SPD-Chefin Andrea Ypsilanti sah ihre Chance, Roland Koch abzulösen und wollte zugreifen. Das vor der Wahl abgegebene Versprechen, nicht mit den SED-Nachfolgern von der Linkspartei zusammenzuarbeiten, war über Nacht Makulatur. Die Macht schien zum Greifen nahe. Die ehemalige Stewardeß sah sich schon in der gepanzerten Limousine als hessische Ministerpräsidentin. Doch dann machten ihr vier Abgeordnete aus ihren Reihen, vorneweg Dagmar Metzger, einen Strich durch die Rechnung. Wortbruch sollte nicht belohnt werden.

Imprägniert gegen jede Selbstkritik stolzierte Ypsilanti immer weiter und ritt die sozialdemokratische Partei in einen immer größeren Schlamassel. Mit Bescheidenheit und Sinn für Realitäten hätte sie die Partei gleichberechtigt in eine Große Koalition führen und Koch Fesseln anlegen können. So verlor sie alles und ihr Kronprinz Thorsten Schäfer-Gümbel erbt eine zugrundegerichtete Partei. Roland Koch, der durch staatsmännische Zurückhaltung in Zeiten der Wirtschaftskrise als Garant von Sicherheit und Stabilität Boden gut machte, wird Hessen mit Hilfe der erstarkten FDP weiter regieren.

Bürgerliche Wähler entschieden sich in großer Zahl, wohl auch taktisch mittels Zweitstimme, FDP zu wählen, um eine schwarz-gelbe Koalition zu ermöglichen. Guido Westerwelles Truppe ist damit Möllemanns "Projekt 18" sehr nahe gekommen. Für viele Kommentatoren ist es verwunderlich, weshalb in Zeiten, in denen selbst Banken- und Industriemanager verzweifelt nach dem Staat rufen, ausgerechnet eine für marktwirtschaftliche Politik eintretende Partei so stark gewinnt. Vielleicht, weil es in wirtschaftspolitischer Hinsicht ansonsten nur noch sozialdemokratisch-sozialistische Alternativen gibt?

Offenbar hat eine Mehrheit der Bürger kein Interesse an Experimenten. In Zeiten der Wirtschaftskrise wird CDU und FDP traditionell am ehesten zugetraut, mit Geld umgehen zu können. Bei den kleinen Parteien, die aufgrund des kurzfristigen Wahlkampfes schlechtere Karten hatten, fallen die Freien Wähler aus dem Rahmen. Seit sie in Bayern im vergangenen Herbst mit 10,2 Prozent in den Landtag einzogen, werden sie als Protestpartei wahrgenommen. In Hessen verdoppelten sie ihr Ergebnis von 0,9 auf 1,6 Prozent.

Vielleicht sorgt das hessische Wahlergebnis für ein Ende des Überbietungswettbewerbs der etablierten Parteien, immer neue Steuermilliarden für zweifelhafte Konjunkturprogramme zu verbraten, kommenden Generationen eine weiter wachsende Schuldenlast aufzubürden. Schon die Schuldenberge der siebziger Jahre waren durch "vorübergehende" Interventionen gerechtfertigt und nie wieder abgetragen worden. Und die FDP war daran beteiligt.

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