© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/09 16. Januar 2009

Zerreißprobe zur Unzeit
Hessen: Während sich die Linkspartei selbst um ihre Chancen bei der Landtagswahl bringt, spielen rechte Parteien kaum eine Rolle
Peter Freitag

Wenn am Sonntag zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres in Hessen ein neuer Landtag gewählt wird, treten neben den im derzeitigen Landtag vertretenen fünf Parteien auch fünf kleinere Parteien an: die Republikaner, die Freien Wähler Hessen, die NPD, die Piratenpartei Deutschland sowie die  Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo).

Aufgrund des kurzfristig erneut in Angriff zu nehmenden Wahlkampfs und der besonderen Zuspitzung nach dem Ypsilanti-Debakel haben es gerade die sogenannten kleinen, nicht etablierten Parteien schwer, sich dem Wählervotum zu stellen. So hat denn auch die außergewöhnliche Situation in Hessen ihre Spuren auf den Listen hinterlassen, deren Zahl im Vergleich zum Vorjahr ohnehin abgenommen hat.

Die Republikaner, die in personeller Kontinuität wieder mit ihrem Landesvorsitzenden Haymo Hoch als Spitzenkandidaten antreten, hoffen zwar, vom Glaubwürdigkeitsverlust der Etablierten profitieren zu können; allerdings müssen sie sich diesmal darauf beschränken, in nur 14 (von 55) Wahlkreisen mit Direktkandidaten aufwarten zu können. Vor einem Jahr waren es noch fünfzig, landesweit brachten es die Republikaner auf ein Prozent der Zweitstimmen.

Mit einer Landesliste und 34 Direktkandidaten (vier weniger als 2008) tritt die NPD an. An der Spitze der hessischen NPD-Kandidaten steht jetzt der Landesvorsitzende Jörg Krebs, der  auch Mitglied des Frankfurter Stadtrates ist; der 2008 ins Rennen gegangene Marcel Wöll hatte sich nach einem aufsehenerregenden Prozeß wegen Volksverhetzung und internen Auseinandersetzungen aus der Parteipolitik zurückgezogen. Auf den Plätzen drei und sechs der Landesliste kandidieren - dem sogenannten "Deutschlandpakt" entsprechend - Mitglieder der DVU; unter den ersten zehn Kandidaten befinden sich offenbar auch sogenannte "parteifreie autonome Nationalisten". Die NPD erhielt vor einem Jahr 0,9 Prozent der Zweitstimmen.

Während die Parteien des rechten Spektrums chancenlos sind, scheint sich die Linkspartei aus eigener Kraft um die Chance eines Wiedereinzugs in den Landtag zu bringen. Die Partei, der im vergangenen Jahr knapp der Einzug in den Landtag gelungen war und somit beinahe die Rolle einer die von Andrea Ypsilanti (SPD) angestrebten rot-grünen Koalition duldenden Fraktion zugekommen wäre, steht ausgerechnet im Wahlkampf vor einer inneren Zerreißprobe. Es geht dabei um einen seit Monaten schwelenden Konflikt zwischen basisdemokratisch orientierten Mitgliedern und dem Großteil der Parteiführung.

Mit der faktischen Selbstauflösung des Ortsverbands Baunatal im Norden des Landes war der Zwist zuerst in die Schlagzeilen geraten. Nun gaben auch kommunale Mandatsträger aus Friedberg, Groß-Gerau, Bad Vilbel und dem Wetteraukreis ihre Parteibücher zurück. Prominenteste Dissidenten, die der Linksaußen-Partei jetzt den Rücken kehrten, sind die bisherige Landesvorständlerin Martina Walter sowie der Marburger Pit Metz, der den hessischen Landesverband "ein Panorama des Elends" nannte. Pikantes Detail am Rande: Der ehemalige DKPler Metz hatte vor der letzten Hessenwahl gezwungenermaßen die Spitzenkandidatur für die Linke niederlegen müssen, weil er den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr mit dem Schießbefehl der DDR-Grenztruppen gleichgesetzt hatte. Nun stimmte er ein in den Chor der Enttäuschten, die - wie jene Abtrünnigen aus Baunatal - der Partei "elitäre Kaderbildung" und Stasi-Methoden vorwerfen.

Den letzten Umfragen zufolge könnte die Linkspartei trotz ihrer internen Auseinandersetzungen den Wiedereinzug schaffen: Sie wird übereinstimmend bei fünf Prozent gesehen. Alle "kleinen" Parteien werden dagegen unter Sonstige subsumiert, denen alle Institute in jüngsten Umfragen nur zusammen drei Prozent vorhersagen. Ministerpräsident Roland Koch (CDU) wird das wenig stören - er kann auf eine satte schwarz-gelbe Mehrheit hoffen.

Foto: Linkspartei-Fraktionshef Willi van Ooyen, Gregor Gysi: Gute Miene zum bösen Spiel

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