© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/09 09. Januar 2009

Troja läßt grüßen
Warum der Begriff der "Neuen Rechten" in eine politische Sackgasse führt
Dieter Stein

Es ist das alte Dilemma jedes konservativen politischen Ansatzes in Deutschland, sich in einer extremen Defensivposition zu befinden. Das von der Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann formulierte Phänomen der "Schweigespirale" wirkt vor allem auf diejenigen, die sich nicht einem wie auch immer gefaßten Spektrum der "Linken" oder einer vagen "Mitte" zuordnen lassen, die womöglich explizit konservative, ja "rechte" Positionen beziehen. Was ist "öffentliche Meinung"? Nach Noelle-Neumann sind dies "Meinungen im kontroversen Bereich, die man öffentlich äußern kann, ohne sich zu isolieren".

Als linksradikale Studenten 1968 den "Marsch durch die Institutionen" antraten, mußten sie Isolation nicht fürchten. Wie der Alt-68er Frank Böckelmann kürzlich im Gespräch mit dieser Zeitung (JF 16/08) sagte: "Von der Kapitalismuskritik abgesehen rannte die Protestbewegung offene Türen ein."

Man kann nicht gerade behaupten, daß konservative oder "rechte" Initiativen, die sich heute im politischen Meinungskampf engagieren, offene Türen einrennen. Im Gegenteil. Der Zeitgeist weht links. Die Lufthoheit in Redaktionsstuben, an den Universitäten hat eine saturierte Linke. Wie konsensfähig und attraktiv der Begriff der Linken ist, kann man daran erkennen, wie die gewendete SED/PDS sich inzwischen schlicht in "Die Linke" umtaufen konnte und damit reüssiert. Es erfordert dagegen nicht viel Fantasie, sich auszumalen, welcher Erfolg einer Formation beschieden wäre, die sich "Die Rechte" nennen würde.

Der von SPD, Grünen und einem linksextremen Antifa-Kartell im Jahr 2000 angeschobene und mittlerweile auf Dauer gestellte "Kampf gegen Rechts" tut ein übriges, wenn sich ihm mittlerweile selbst brave CSU-Innenminister anschließen und damit vor einer linken Umfassungsstrategie kapitulieren.

Seit 1968 hat es auf konservativer Seite Gegenbewegungen zur Herausforderung der Kulturrevolution gegeben. Die 1970 gegründete Kulturzeitschrift Criticón des Münchner Publizisten Caspar von Schrenck-Notzing wurde rasch zu dem Kristallisationspunkt für Rechtsintellektuelle. Schnell entfaltete sich hier der breite Kosmos nicht-linker Ideen, von Nationalliberalen, Christdemokratisch-Konservativen, Nationalkonservativen, ex-linken Renegaten bis zu Autoren, die sich als explizit "rechts" verstanden. Wegen der eigenen Defensivposition, aber auch wegen des weltanschaulichen Binnenpluralismus scheute man schon damals kategorische Selbsteinordnungen unter einen ideologischen Begriff. Das Merkmal des Konservativen ist nämlich die Differenz, das Vielgestaltige und nicht das Uniforme, Homogene, das auf einen ideologischen Begriff zu bringen ist.

In Criticón protokollierte der Schriftsteller Armin Mohler, Autor des Standardwerkes über die "Konservative Revolution", die Pressekampagne 1979 in Frankreich gegen den Rechtsintellektuellen Alain de Benoist, der am Magazin der tonangebenden Tageszeitung Le Figaro mitarbeitete. Die Pressekampagne bezeichnete den Kreis um Benoist als "Nouvelle Droite" (Neue Rechte). Schon in Frankreich wurde der Begriff "Nouvelle Droite" nicht geschaffen, um eine "sympathische" moderne Rechte gegenüber einer alten Rechten abzugrenzen, sondern um eine Gruppe - auch durch unterstellte Nähe zu Neonazis - zu isolieren und aus dem Diskurs auszuschließen.

Überspannte Hoffnungen auf einen auch in Deutschland kopierbaren Einfluß auf die intellektuelle Szene sorgten für einen kurzen Frühling des Begriffs "Neue Rechte" in der Zeitschrift Criticón.

Immer mal wieder gab es später erfolglose Versuche, den Begriff einer "Neuen Rechten" zu besetzen - zuletzt durch Heimo Schwilk und Ulrich Schacht 1994/95. Man mußte erkennen, daß der Begriff irreparabel beschädigt ist. Längst hatte sich die Definition tonangebender linker Politologen und seit Anfang der neunziger Jahre seitens der Verfassungsschutzbehörden durchgesetzt, die "Neue Rechte" als Sammelbegriff für Intellektuelle zu verstehen, die einem "Brückenspektrum zwischen demokratischem Konservatismus und Rechtsextremismus" zuzuordnen seien.

Seit kurzem flottiert der desavouierte Begriff wieder als Selbstbezeichnung durch Internetforen und Blogs. Die Herausgeber der konservativen Zeitschrift Sezession titulieren sich sogar neuerdings als "Vordenker" einer "Neuen Rechten".

Offenbar erliegt man der verführerischen Note des Begriffs: Er riecht nach Aufbruch, Unbefangenheit und Aprilfrische. Charmant scheint die Vorstellung, alles Negative auf eine ominöse "Alte Rechte" zu werfen, alles Gute und Hoffnungsfrohe mit einer "Neuen Rechten" zu verbinden.

Doch das ist illusorisch. Der Begriff der "Neuen Rechten" ist dauerhaft als Definition einer antidemokratischen, genuin rechtsextremistischen Position markiert, und wer ihn annimmt, schließt sich damit selbst aus. Es grenzt an einen Kohlhaas'schen Kraftakt, wenn man glaubt, einen solcherart kontaminierten Begriff "positiv" besetzen zu können. Dieser Begriff ist das sichere Ticket in eine Sackgasse - quasi zur "Endstation Rechts", wie sich ein Internetportal nennt, das über NPD, Skinheads und "Neue Rechte" aufklären will und darunter die JF subsumiert.

So paßt es denn wie die Faust aufs Auge, daß der Möchtegern-NPD-Chef Andreas Molau (siehe Seite 5) jetzt verkündet, er sehe sich den Ideen von Vordenkern der "Neuen Rechten" wie Alain de Benoist verpflichtet. Man ahnt, wem es am ehesten gelingen könnte, den Begriff in seinem Sinne aufzuladen.

Wie das hölzerne Pferd zur Niederwerfung Trojas führte, so birgt dieser gleichsam trojanische Begriff die Gefahr, seine auf den ersten Blick harmlose Gestalt zu verlieren und sich gegen die zu wenden, die ihn eben noch fröhlich umsprangen.

Entscheidender als eine nette Verpackung (Begriff) ist der Inhalt (Position). Hier findet die entscheidende Auseinandersetzung statt, und hier haben Konservative und "Rechte" offenbar nach wie vor Klärungsbedarf: Welcher politischen Tradition fühlt man sich verpflichtet? Wie hältst du es mit der NS-Vergangenheit? Wie hältst du es mit der Demokratie?

Es sei denn, es bezeichnet sich jemand als "Neuer Rechter", der bewußt bruchlos an die Ideen der "Konservativen Revolution" anknüpfen will, ohne sie notwendigerweise zu historisieren - wer "Antidemokrat" nicht als Schimpfwort empfindet und wer sich an einer Ästhetisierung des Faschismus beteiligen will. Für ihn ist der Begriff wohl der passende.

Der gegen seinen Willen immer noch als "Vordenker" einer "Neuen Rechten" vereinnahmte Benoist hat sich übrigens schon seit Jahren nicht nur von diesem Begriff verabschiedet und verwirft die Kategorien "Links" und "Rechts" als "unbrauchbar". In einem Gespräch mit der JF sagte er: "Zu wissen, ob jemand 'rechts' ist, gibt mir heute keinerlei Aufschluß darüber, ob er für oder gegen Europa ist, für oder gegen den Irak-Krieg, für oder gegen die kapitalistische Ordnung, für oder gegen Umweltschutz ... die Unterscheidung zwischen Rechts und Links entstand mit der Moderne; sie ist dabei, mit ihr auszusterben." Zeit also für die Dekonstruk-tion solcher Begriffe.

Foto: "Denn das Schicksal beschloß Verderben, wann Troja das große Hölzerne Roß aufnähme ..." (Homer, Odyssee)

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