© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/09 09. Januar 2009

"Für uns ist dieser Mann ein Held"
Zweiteilige Geschichtsdokumentation über den Hitler-Attentäter im ZDF: "Stauffenberg - Die wahre Geschichte"
Michael Hofer

Am 22. Januar wird endlich auch für das deutsche Publikum die Katze aus dem Sack gelassen. Dann wird man sich nach eineinhalb Jahren Medienhype davon überzeugen können, ob das Tom-Cruise-Vehikel "Operation Walküre" wirklich die Aufregung wert war - und ob die Debatten, die das Projekt bisher bereits ausgelöst hat, nicht auf ein paar fundamentalen Mißverständnissen beruhen. Der Trailer zu "Operation Walküre" suggeriert, daß es sich hier vor allem um einen gut gemachten Thriller ohne größeren Tiefgang handelt. Filme mit "Nazi"-Themen sind in den USA längst zu einem Genre geworden, das heute ungefähr so floriert wie früher Western und Musicals.

Besondere Sorgfalt bei der Auswahl der Zeitzeugen

Im US-Kino ist der "Nazi" ein Horror-Stereotyp des "Bösen", und es ist bezeichnend, daß ein Mann wie Steven Spielberg gleichermaßen für "Indiana Jones" verantwortlich zeichnet wie für "Schindlers Liste". Ähnlich ist der Fall bei "Walküre"-Regisseur Bryan Singer gelagert, der sich bisher vor allem mit der Verfilmung von Superhelden-Comics ("X-Men") einen Namen gemacht hat. Was also aus den USA zum Hitler- und Weltkriegs-Thema kommt, ist immer im Kontext einer populären Kultur zu sehen, deren Bilder allerdings schon seit Jahrzehnten auch in Deutschland absorbiert werden.

Dennoch kann man sich hierzulande kaum vorstellen, daß ein Film über Stauffenberg bloß ein Film ist und sonst nichts. Die Geschichte des 20. Juli ist allein in Deutschland von jenem komplizierten emotionalen wie moralischen Nimbus umgeben, der im Vorfeld der Cruise-Produktion allerlei wunderliche Reaktionen zur Folge hatte. Wie immer, wenn eine Schwarte zur deutschen Geschichte ins Blickfeld gerät, fühlte sich Frank Schirrmacher in der FAZ zur Prophetenpose ermutigt und bescheinigte dem Film hoffnungsfroh, er werde "das Bild von Deutschland in der Welt auf Jahrzehnte prägen".

Da man nirgendwo besser als anhand der NS-Thematik seine überlegene Moralität demonstrieren kann, dauerte es nicht lange, bis ein paar Berufspharisäer die Mitgliedschaft von Tom Cruise bei Scientology skandalisierten. Im Zuge dieser Hysterie wurde der Schauspieler gar mit Goebbels verglichen. Den Vogel schoß schließlich die Verleihung des Bambi-Preises für "Courage" an Cruise ab - für die bloße Tatsache, daß er Stauffenberg gespielt hat. Dieser quittierte den Preis allen Ernstes mit den Worten: "Es lebe das heilige Deutschland!" Damit war so ziemlich die Grenze zur Leichenschändung überschritten.

Pünktlich zum Kinostart von "Operation Walküre" zeigt das ZDF nun jeweils am 13. und 20. Januar (siehe Stichwortkasten) den Zweiteiler "Stauffenberg", polemisch untertitelt "Die wahre Geschichte", ein "doku-dramatischer" Mix aus Spiel-, Interview- und Dokumentarszenen.

Natürlich mußte es wieder der unvermeidliche Guido Knopp im Verbund mit seinen Haus-Regisseuren Oliver Halmburger und Christian Frey sein, der für die Sendung verantwortlich zeichnet. Im Presseheft betonen die Autoren den moralischen Impuls ihrer Arbeit: "War Stauffenberg ein Held? Er war es, ja", hebt Knopp seinen Beitrag beinahe zaghaft an. "Er war ein mutiger und einsamer Verschwörer gegen Hitler, nicht getragen von der Volksstimmung, nur von der Stimme seines rastlosen Gewissen." Er räumt ein, Stauffenberg sei zwar "kein lupenreiner Demokrat" gewesen, aber ihm habe ein "Land des Rechts und der Gerechtigkeit" vorgeschwebt, "das wieder auf der Tradition von Goethe, Schiller, Bach aufbaute - nicht auf braunen Ungeist". Eine "provisorische Regierung" der Verschwörer hätte den Tod von Millionen Menschen verhindern können.

Auch Frey und Halmburger bekennen: "Für uns ist dieser Mann ein Held", und wissen zu berichten: "Von Kameraden und Verwandten erfahren wir: er war neugierig, hochintelligent, gewissenhaft und pflichtbewußt", ein "liebevoller Ehemann und Vater", ein "Mensch voller Wärme, Mut und Charakterstärke". Vor allem aber sind die Autoren stolz auf die aufwendige Rekonstruktion von, wie sie es nennen, "authentischen Schlüsselszenen".

So wird Stauffenbergs Konvoi von computergenerierten Flugzeugen attackiert, die es krachen lassen wie in einem Hollywood-Film. Besondere Sorgfalt wurde auch auf die Auswahl der Zeitzeugen gelegt: Zu Wort kommen etwa der letzte lebende Mitverschwörer Ewald von Kleist, Mitglieder von Stauffenbergs Familie oder wichtige Nebenakteure des Dramas: Alfons Schulz, der als Funker in der Wolfsschanze dabei war, als Hitler mit Otto Remer telefonierte: "Erkennen Sie meine Stimme?", oder Erich Kretz, der Stauffenberg nach dem Attentat zur Torwache fuhr. Der zweite Teil des Produktion schließlich versucht ein Bild der Logistik des Attentats zu zeichnen.

All das sieht man gewiß nicht ohne Gewinn, auch wenn es nicht allzuviel Neues bringt. Die vulgäre Ästhethik dieser Melange aus Fakten, Emotionen und "authentischen" Bebilderungen, in der Augen-, Ohren- und Unterhaltungsreize einander ohne Ruhepause jagen, ist indessen so ungenießbar wie eh und je. Gleich in der ersten Einstellung geht mit einem lauten Knall ein Nachbau des Wolfsschanze-Bunkers in die Luft, kommentiert von der so übersattsam bekannten, heiser-gepreßten Stimme des Synchronsprechers vom Dienst, Christian Schult: "20. Juli 1944 - Attentat auf Adolf Hitler!" Dazu dramatisch wabernde Gebrauchsmusik, die von nun an nahezu ununterbrochen das Geschehen untermalen wird.

Eine Art animiertes Wachsfigurenkabinett

Zwischen den Interview-Schnipseln sind Comic-artige nachgestellte Szenen zu sehen, die über die banale Illustration nicht hinauskommen: eine Art animiertes, zum Teil unfreiwillig komisches Wachsfigurenkabinett, getragen von einem fast schon kitschig aussehenden Darsteller, der auch noch wie sein Vorbild ein "authentisches" Grübchen im Kinn vorzuweisen hat. Der Kommentar formuliert in einem reißerischen Stil, der der Bild-Zeitung würdig wäre. "Hitler - Verkünder und Vollstrecker einer besseren Zukunft?" - "Der junge Graf als Hitlers idealer Soldat?" - "Hitler ist außer sich!"

Der Film schwelgt mit allzu naiven Nachdruck in der Vorstellung, die Verschwörer hätten bloß ein paar Bösewichte wegbomben müssen, um den Krieg zu beenden, während Guido Knopp es in der Tat besser weiß und im Presseheft schreibt: "Was wäre geschehen, wenn das Attentat geglückt wäre? (...) Die Forderung der Alliierten nach bedingungsloser Kapitulation stand unumstößlich fest, genauso wie die Aufspaltung des Reiches in Besatzungszonen, die Abtrennung Ostdeutschlands und die Vertreibung seiner Menschen."

Weiters können permanente Gruselmusik und geschichtsklitternde Kommentare auch nicht gerade verständlich machen, wie Stauffenberg einerseits Hitlers Regime ablehnen, andererseits sich mit Enthusiasmus dafür einsetzen konnte, den Krieg zu gewinnen. Dem berüchtigten Brief, den Stauffenberg an seine Frau aus dem besetzten Polen über das "Volk, das sich nur unter der Knute wohlfühlt" schrieb, wird jegliche politische Relevanz abgesprochen, allerdings der Satz unterschlagen: "Die Tausenden von Gefangenen werden unserer Landwirtschaft recht gut tun."

Stefan Georges "Geheimes" wird en passant zum "besseren Deutschland" banalisiert, während der nicht gerade BRD-kompatible Wortlaut des sogenannten "Eids" der Verschwörer geradezu schamhaft verschwiegen wird. Am Ende dient Knopps Histotainment also vor allem einer Geschichtsvermittlung ad usum delphini, die ästhetisch vermutlich gar nicht so weit von Cruise entfernt ist.

Indessen ist die Wurzel aller geistigen Verwirrung, die "Operation Walküre" ausgelöst hat, leicht zu benennen: Es ist das ewige deutsche Laborieren am NS-Schuldkomplex. Wenn Knopp schreibt: "So bleibt die Tat des Grafen Stauffenberg ein Grund für stillen Stolz. Wir atmen etwas freier, weil es ihn gegeben hat", impliziert er, daß die Deutschen sonst gerade nicht allzu frei atmen, wenn sie an ihre Geschichte denken. "Doch gut ist, daß es wenigstens versucht wurde und daß es die Welt erfuhr: Nicht alle Deutschen liefen hinter Hitler her."

Stauffenberg wird zu einer Projek­tionsfläche für den Wunsch, endlich vor sich und dem Ausland Absolution zu finden. Dieses Heil wird allerdings weder aus Hollywood noch von Guido Knopp kommen können.

Foto: Oberst von Stauffenberg (Peter Becker) auf dem Flugfeld Rangsdorf bei Berlin am 20. Juli 1944: Zum Attentat entschlossen, Anschlagsvorbereitung: Plastiksprengstoff für die Aktentasche

 

Stichwort: Deutsche Begleitung zum "Walküre"-Start

Als Konkurrenz zum US--Spielfilm "Walküre" (Kinostart in Deutschland 22. Januar) will man beim ZDF den Zweiteiler "Stauffenberg: Die wahre Geschichte" (ZDF, 13./ 20. Januar 2009, jeweils 20.15) nicht sehen. Also erklärte Hauptdarsteller Peter Becker: Wir "möchten vor allem Informationen bieten". Informationen bietet auch die ARD: Sie zeigt am 21. Januar (23.30 Uhr) die Doku "Hirnwäscher - wie gefährlich ist Scientology?" und beleuchtet die Frage: "Was kommt heraus, wenn sich Tom Cruise, der bekannteste Scientologe der Welt, am Widerständler Claus von Stauffenberg versucht?"

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