© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/09 02. Januar 2009

SWR Auslandsreporter: Die neuen Trakehner – Ein Wintermärchen aus Masuren
Geworben wird mit dem Motto „Schlafen wie der Kaiser“
Clemens Taeschner

Ein Auslandsreporter kann viel berichten – besonders beim SWR. Dort existiert ein explizit nach ihm benanntes Magazin. Dessen nächster Sendetermin widmet sich den Polen, den Pferden und dem deutschen Erbe. Nun nimmt bei letzterem die sperrige Erinnerung einen besonderen Platz ein – oder eben keinen. So wird das vom polnischen Marschall Edward Rydz-Śmigły noch vor Kriegsbeginn in Auftrag gegebene Gemälde, das ihn – auf dem Pferd reitend – bei seinem Triumphzug durch das Brandenburger Tor zeigt, keine Rolle spielen. Und doch geht es um die Anverwandlung deutscher Kultur. Ort des Geschehens sind das Ermland, Masuren und der am Frischen Haff Ostpreußens gelegene Ort Kadinen. Hier hat der Pferdeschlitten im Winter als Transportmittel wieder Hochkonjunktur. Deutsche Touristen zieht es besonders in das unweit von Elbing gelegene Kadinen. Einst war hier die Sommerresidenz Kaiser Wilhelms II. Der hatte auf diesem geliebten Flecken ein prachtvolles Gestüt robuster Trakehner errichtet. Neben diesen wurden – bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs – auch edle Holsteiner gezüchtet.

Nach Flucht und Vertreibung der Deutschen und nach dem Zusammenbruch des Ostblocks mußten die Menschen in Kadinen wieder von vorne anfangen. Mit eher gedankenlosem Zynismus formuliert das der SWR-Pressetext: „Ohne Berührungsängste“ hätten die Kadyner – begünstigt durch die Privatwirtschaft – „das deutsche Erbe“ in ihrem Dorf vermarktet und damit dem Ort in ein „polnisches Wintermärchen“ verwandelt. Die Pferde werden heute in die ganze Welt exportiert. Geworben wird mit dem Motto „Schlafen wie der Kaiser“. Der hatte seinen Baumeistern 1899 freie Hand gelassen: Neben Gestüt und kaiserlicher Residenz hatten diese den gesamten Ort gestaltet und eine Keramikfabrik eingerichtet, deren Kacheln bis heute die Berliner U-Bahnhöfe und den alten Elbtunnel in Hamburg schmücken.

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