© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/09 02. Januar 2009

Frisch gepresst

Hirnforschung. Gott, Welt, Mensch – alles reine Nervensache. Genauer gesagt sind es 180.000 Kilometer Nervenfasern, über die jeder Mensch nach dem Ende der Pubertät verfügt und die aus ihm eine „Person“ und die dazugehörige „Umwelt“ formen. Vom 20. Lebensjahr an beginnen „Ich“ und „Welt“ aber zu schrumpfen, da wir täglich 85.000 Nervenzellen verlieren – bei unmäßigen Zechern geht’s schneller. Was sich daraus im Alter ergeben kann, Demenz, Parkinson oder, wenn es gut läuft, nur senile Vergeßlichkeit, sind einige Aspekte, die der Wissenschaftsjournalist Rüdiger Vaas in seinem Schnellkurs über die „Schöne neue Neuro-Welt“ (Die Zukunft des Gehirns. Eingriffe, Erklärungen und Ethik. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2008, broschiert, 168 Seiten, Abbildungen, 19,80 Euro) auch für den naturwissenschaftlichen Analphabeten höchst lehrreich präsentiert. Dabei gibt es einige hoffnungsvolle Ausblicke wie die im Tierversuch halbwegs geglückten Ansätze zur Eindämmung der Alzheimer-Symptomatik, aber auch extrem gruselige Visionen von „Kopftransplantationen“ und tiefgefrorenen Gehirnen, die auf Körper von Hirntoten warten. In den abstoßendsten Facetten des so „schick“ gewordenen Hirn-Diskurses, den eine schon bedrohlich konkrete Forschungspraxis speist, erscheint der „Mensch als Übergang“. An die gegenwärtigen, von Vaas anschaulich aufbereiteten Probleme von der Patientenverfügung bis zum Hirn-Doping durch Antidepressiva dürfte man sich 2020 also vielleicht schon mit Wehmut erinnern – als an die gute alte Zeit vor dem „Transhumanismus“.

Baden und Württemberg. Südwestdeutsche Zeitgeschichte kompakt – das bietet Reinhold Webers handliche Darstellung der erst unter Bonner Verhältnissen zusammengefügten früheren Länder Baden und Württemberg vom Ende des Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, als das spätere Bindestrichland als einziges Flächengebiet auch noch zwischen zwei Besatzungsmächten aufgeteilt wurde. Der Tübinger Zeithistoriker, „ordentliches Mitglied der Kommission für geschichtliche Landeskunde“, ist bemüht, die sozialen, ökonomischen und kulturellen Aspekte dieser bewegten Epoche in die politische Ereignisgeschichte zu integrieren, ohne natürlich die dabei in der Forschung festgetretenen Bahnen zu verlassen. Didaktisch geschickt aufbereitet, eignet sich das Taschenbuch, das der Autor als erstmaligen Exkurs der „gemeinsamen Geschichte“ in diesem Zeitabschnitt anpreist, gewiß gut, um Gymnasiasten im „Ländle“ als Begleitlektüre für ihren Geschichtsunterricht empfohlen zu werden (Kleine Geschichte der Länder Baden und Württemberg 1918–1945. DRW-Verlag Weinbrenner, Leinfelden 2008, gebunden, 253 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro).

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