© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/09 02. Januar 2009

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Täuschung
Karl Heinzen

Auf einem Krisengipfel im Bundeskanzleramt hat Siemens-Chef Peter Löscher kurz vor Weihnachten den Vorschlag geäußert, daß die sogenannten „Dax-30-Konzerne“ ungeachtet der Rezession auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten sollten. Möglicherweise war diese Anregung einer „Jobgarantie“ als Signal zu verstehen, daß nicht nur die Politik, sondern auch die Wirtschaft bereit ist, unkonventionelle neue Wege zu gehen, um die Krise zu meistern. Tatsächlich handelt es sich aber bei seiner Idee wie auch jenen der Regierung im Kern bloß um den Rückgriff auf Konzepte, die bereits vor einigen Jahrzehnten erfolglos bemüht wurden.

Schon in den späten 1960er und 1970er Jahren hielt man die zeitgenössische – und nach heutigen Maßstäben harmlose – Krise vor allem für ein psychologisches Problem. Die Unternehmen, so die seinerzeit gängige Interpretation, schreckten aufgrund pessimistischer Absatzerwartungen vor Investitionen zurück, die Verbraucher wiederum, das Risiko der Arbeitslosigkeit vor Augen, legten Konsumzurückhaltung an den Tag. Aus diesem Teufelskreis könne nur der Staat den Ausweg weisen, indem er einerseits durch schuldenfinanzierte Ausgaben die Auftragsbücher der Unternehmen füllt und damit für mehr Beschäftigung sorgt und andererseits mit vollmundigen Versprechungen von Stabilität und sozialer Mindestabsicherung auftritt, die er zwar, wenn es denn hart auf hart kommen sollte, nie einlösen könnte, an die die Bürger aber, gutmütig und vertrauensselig, wie sie sind, gleichwohl glauben und in Optimismus verfallen.

Spätestens seit den 1980er Jahren galten derartige Vorstellungen eigentlich als nicht mehr diskussionswürdig. Staatliche Konjunkturprogramme, so die nüchterne Erkenntnis, können nur Scheinblüten bewirken. Unter dem Strich kurbeln sie die Wirtschaft nicht an, sondern verzerren ihr Gefüge. Bürger und Unternehmen können nicht systematisch über die wahre Lage getäuscht werden.

Neu ist an Löschers Vorschlag daher lediglich, daß sich nun auch die Wirtschaft an dem Versuch beteiligen möchte, die Krise durch ein psychologisches Täuschungsmanöver in den Griff zu bekommen. Damit trägt sie dem Umstand Rechnung, daß sie gegenüber der Politik an Gewicht gewonnen hat. Auch ihrer Allmacht sind aber auf dem Gebiet der Psychologie Grenzen gesetzt. Die „Jobgarantie“ soll nur für reguläre Beschäftigungsverhältnisse gelten und im „Katastrophenfall“ hinfällig sein. Wer möchte angesichts dieser Einschränkungen schon beruhigt sein und in Konsumrausch verfallen?

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