© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/09 02. Januar 2009

Propaganda statt Wissenschaft
Gesellschaft: Die Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung zum politischen Extremismus in Deutschland sagen häufig mehr über die Autoren aus als über die Befragten
Fabian Schmidt-Ahmad

Propaganda wirkt durch Wiederholung, bis bloße Behauptungen wie selbstverständliche Wahrheiten ins Bewußtsein gesickert sind. Gemessen daran befindet sich die Friedrich-Ebert-Stiftung auf einem guten Weg. Schließlich schwärmen von hier ganze Wolken von „Expertisen“, „Studien“ und „Diskussionspapieren“ aus, die unisono alarmierend von einem „Extremismus der Mitte“ künden. Es ist die Unterstellung, „daß rechtsextreme Einstellungen in allen gesellschaftlichen Gruppen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, so doch überall vorhanden sind“, wie die Soziologen Oliver Decker und Elmar Brähler auch in ihrer jüngsten Studie, „Bewegung in der Mitte – Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2008“, nachweisen möchten.

„Fünfzehn Prozent der Deutschen sind chauvinistisch eingestellt.“ – „Bundesweit zeigt gut ein Fünftel der Befragten eine ausländerfeindliche Einstellung.“ – „Auch einzelne antisemitische Aussagen finden eine breite Zustimmung in der Bevölkerung“: So tönt es in der Presseerklärung der Friedrich-Ebert-Stiftung, in der die Autoren zu dem wenig überraschenden Schluß kommen: „Rechtsextreme Einstellung ist kein Randphänomen, sondern findet sich auch in der Mitte der Gesellschaft wieder.“ Deutschland, ein schlummernder Hort des Rechtsextremismus? Angesichts der politischen Entwicklung der vergangenen zwanzig Jahre, die eher einen sehr deutlichen Linksruck aufzeigt, erstaunliche Aussagen, die einer näheren Betrachtung bedürfen.

Zunächst gibt es ein begriffliches Problem. Denn die Mitte einer Gesellschaft kann schon von ihrer Definition her nicht extremistisch sein. Erst wenn man für sich einen übergeordneten Bezugspunkt formuliert, kann man eine beliebige Gesellschaft als „extremistisch“ einschätzen.

Irritierende Begriffsbelegung

Wenn also Forscher mitten in der deutschen Gesellschaft einen „Extremismus“ ausmachen wollen, heißt dies zunächst nichts anderes, als daß diese Forscher etwas beobachten, welches sie als nicht wünschenswert erachten. Folgerichtig sollte man sich nicht von Begriffbelegungen wie „Chauvinismus“ oder „Ausländerfeindlichkeit“ irritieren lassen, solange man nicht weiß, was die jeweiligen Autoren darunter überhaupt verstehen.

„Bewegung in der Mitte“ basiert auf einer Fragenbogenuntersuchung, in der aus der Bevölkerung die Zustimmung zu 18 verschiedenen Aussagen abgefragt wurde. Ähnliche Untersuchungen führen die Autoren bereits seit 2002 im Zwei-Jahres-Rhythmus durch. Die Befragten mußten in fünf Kategorien von „Lehne völlig ab“ bis „Stimme voll und ganz zu“ Sätze bewerten wie: „Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Volkspartei, die die Volksgemeinschaft insgesamt repräsentiert.“ Dieser Satz wurde dann später dem Fragenkomplex „Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur“ zugerechnet.

Schon hier wird ein wesentliches Problem der Studie deutlich: Die Forscher verknüpfen mit dieser Aussage natürlich das Selbstverständnis einer nationalsozialistischen Parteiendiktatur. Ob die Befragten sich dessen überhaupt bewußt waren, sei allerdings dahingestellt. Immerhin ist die SPD selbst eine „Volkspartei“, welche die breite Masse der Bevölkerung repräsentieren möchte. Der Befragte, der den Fragebogen ausfüllt – höchstwahrscheinlich unter Zeitdruck –, hätte also erst über die Worte „eine einzige“ stolpern müssen.

Auch ist unklar, ob das bloße Erwähnen einer „Volksgemeinschaft“ schon ausreicht, um von „rechtsautoritär“ sprechen zu können. So befürworten erheblich mehr Bürger der neuen Bundesländer eine „rechtsautoritäre“ Gesellschaftsform, sind aber gleichzeitig deutlich seltener der Meinung, daß „die Verbrechen des Nationalsozialismus“ in der Geschichtsschreibung „weit übertrieben worden“ sind, oder bejahen andere Aussagen, die zum Fragenkomplex „Verharmlosung des Nationalsozialismus“ zusammengefaßt werden.

Nahezu untaugliche Indikatoren

Zu diesem gehört auch der Satz: „Ohne Judenvernichtung würde man Hitler heute als großen Staatsmann sehen.“ Im Sinne der Autoren würde man mit Hitler sympathisieren, stimmt man dieser Aussage zu. Doch müßten sie selbst eigentlich auch dieser Meinung sein. Schließlich läuft die ganze Studie doch auf die Behauptung hinaus, die Deutschen sympathisierten insgeheim mit dem Nationalsozialismus. Die anderen Indikatoren der Studie sind gleichfalls nahezu untauglich. Gemessen wird irgend etwas, nur nicht ein möglicher Extremismus.

Kurzum: Es handelt sich nicht um wissenschaftliche Texte, sondern um Propagandamaterial. Und auch in der nächsten Umfrage wird wieder als „Chauvinist“ kategorisiert, wer „überwiegend“ oder „voll und ganz“ der Aussage zustimmt: „Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben.“ Die Autoren bemühen sich nicht einmal Ansatzweise um vorurteilsfreie Wissenschaftlichkeit. Es ist in der Empirischen Sozialforschung bekannt, daß man in Umfragen gerne das Mittel wählt. Stimmt aber hier der Befragte beispielsweise der Aussage „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“ „teils zu, teils nicht zu“, so unterstellt man ihm einfach eine extremistische Gesinnung.

So wollen die Autoren in Stichproben bei „Gruppendiskussionen“ herausgefunden haben, daß der Betreffende in der Tat „ausländerfeindliche Ressentiments“ zeige. Was die Autoren zu dem Schluß führt, „daß die Ausländerfeindlichkeit in Fragebogenuntersuchungen eher noch unterschätzt wird“. „Erschreckend groß“ nannten sie daher die Anzahl derer, die „sich zumindest nicht klar gegen rechtsextreme Einstellungen positioniert“ hätten. Dazu gehört dann wohl auch, es zumindest theoretisch für möglich zu halten, daß Ausländer nur hierher kommen, „um unseren Sozialstaat auszunutzen“. Das wiederum wirft die Frage auf, wer eigentlich hier ein extremistisches Weltbild verfolgt – mit der Folge, daß die Gesellschaft nicht so ist, wie man sie gerne hätte.

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