© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/08-01/09 19./26. Dezember 2008

Frisch gepresst

Rußland. Wenigstens gegen jedwede Form von Opposition hat die von Putins Gnaden geführte Kreml-Herrschaft Medwedjews das rechte Mittel stets parat, was für Rußlands von Inflation und Finanzkrise heimgesuchter Wirtschaft kaum gilt. Entgegen der seit Jelzin durch den Rohstoffsegen bedingten Steigerung der Lebensverhältnisse ist die russische Industrie zwanzig bis dreißig Jahre sowohl hinter dem Westen wie auch Japan oder China zurückgefallen. Eine Ausnahme bilden lediglich der Rüstungs- und Stahlsektor, die aber kaum ausreichen, um die vormalige Weltmacht von ihren Phantomschmerzen und ihren fatalen Hegemonieansprüchen zu kurieren. In einer ebenso profunden wie umfassenden Studie hat Albrecht Rothacher, einst Direktor an der Asien-Europa-Stiftung (ASEF), diese Situation eingefangen (Stalins langer Schatten. Medwedjews Rußland und der postsowjetische Raum. Ares Verlag, Graz 2008, gebunden, 334 Seiten, 19,90 Euro). In den Blick geraten neben Rußland und seinen wirtschaftlichen wie politischen Strukturen auch die einstigen Teilrepubliken im Kaukasus und Mittelasien. Allein schon wegen dieses gigantischen Überblicks darf diese Publikation als großer Wurf gelten.

 

Deutsche und Slawen. Manchmal drängt sich der Eindruck auf, als wolle der Passauer Mediävist Thomas Wünsch sein Mütchen kühlen und gegen die hinlänglich als "chauvinistisch" stigmatisierte "Kulturträger"-These der guten alten "Ostforschung" zu Felde ziehen, wenn er über "Deutsche und Slawen im Mittelalter" berichtet (Beziehungen zu Tschechen, Polen, Südslawen und Russen, R. Oldenbourg Verlag, München 2008, gebunden, 188 Seiten, 49,80 Euro). Der Eindruck ist durchaus zutreffend, und im letztlich allein diesen Namen verdienenden "Verhältnis" zu Polen und Tschechen vermag Wünsch überdies nicht einmal zu plausibilisieren, warum dieses West-Ost-Kulturgefälle nicht die deutsche Kolonisation zwischen Elbe und Memel geprägt haben soll. Viel einprägsamer ist aber, wie solche alten Querelen in seinem ungemein dichten, souveräne Quellen- und Literaturkenntnis demonstrierenden Abriß der "Beziehungsgeschichte" fast zum Nebenaspekt herabsinken. Wie beiläufig stellt er etwa die spannendere Frage des "tschechischen Nationalbewußtseins", das sich nicht etwa im 19. Jahrhundert gebildet habe, sondern sich zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert "konstituierte", "offene Xenophobie", also Deutschenhaß, inklusive. Eine "Verbindung von den spätmittelalterlichen Nationenkämpfen in Böhmen zu den Beneš-Dekreten" scheint ihm daher nicht abwegig. Wünsch beschließt den Band mit einer Bibliographie der über 700 Buch- und Aufsatztitel, die in diesen vorzüglichen Forschungsüberblick eingeflossen sind.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen