© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/08-01/09 19./26. Dezember 2008

Ausverkauf des flüssigen, weißen Goldes
Österreich: Der alpine Wasserschatz wird zur leichten Beute mannigfacher globaler Begehrlichkeiten
Michael Howanietz

Hinter den Monumentalkulissen von Tauern und Hochschwab hat der Ausverkauf des österreichischen Wassers längst begonnen. Meist werden Verheerung und anschließende Privatisierung staatlicher Filetstücke des Volksvermögens mit zumindest medialer Aufmerksamkeit beehrt. Aber anders als beim Fall Austrian Airlines/AUA (die teilentschuldet an die Deutsche Lufthansa ging) ist dies bei der schleichenden Enteignung des flüssigen, weißen Goldes nicht der Fall.

Es verging genau ein Tag nach der von SPÖ, ÖVP und Grünen vollzogenen Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrags, da meldete Spanien bereits Ansprüche auf österreichisches Wasser an. Madrid forderte die europäische "Wasser-Solidarität" ein, was als Hinweis auf die sogenannte Solidaritätsklausel des Vertrags von Lissabon zu verstehen ist. In dieser ist unter anderem die Solidarität im Falle von Natur- wie vom Menschen verursachten Katastrophen vorgesehen - ein an sich lobenswertes EU-Anliegen. Aber der Wassermangel in Spanien beruht auf Vergeudung und ausbeuterischer Intensivlandwirtschaft. Nach Monaten ohne Regen mußte beispielsweise Barcelona im Frühjahr 2008 die Reserven anderer Provinzen anzapfen (JF 16/08).

Laut Angaben des Nationalen Aktionsprogramms gegen die Desertifikation (PAND) sind schon fast 40 Prozent der gesamten Staatsfläche von fortschreitender Wüstenbildung betroffen. Der hochintensive Gemüseanbau in Südspanien verbraucht mehr Wasser, als dort zur Verfügung steht. Massive Umleitungen aus dem Norden bedrohen die dortigen Wälder. Illegale Brunnen verschlimmern die Situation. Das dürfte die Iberer im Bedarfsfall aber nicht daran hindern, die Folgen ihrer fahrlässigen Agrarpolitik als Dürrekatastrophe auszulegen und die Forderung nach EU-"Solidarität" zu erheben. Auch das sonnige Ungarn könnte bei fortschreitendem Klimawandel Interesse am Alpenwasser anmelden - es ist zu etwa 95 Prozent von eingeführtem Oberflächenwasser abhängig.

Österreich hätte in diesem Fall keine Chance, sich einem solchen Ansinnen zu widersetzen. Sobald die umgetaufte EU-Verfassung in Kraft tritt, könnte Brüssel auf das alpinen Lebenselixier zugreifen, ohne das österreichische Parlament zu befragen. Die verbalen Beruhigungspillen aus dem Wiener Außenministerium, die Gegenteiliges behaupteten, sind praktisch irrelevant. Denn der lange Arm der Globalisierung hat längst auch auf anderen Ebenen den österreichischen Wasserschatz angezapft. Mit Römerquelle, Markusquelle und etlichen mehr sind renommierte österreichische Mineralwassermarken bereits in Händen multinationaler Konzerne, die in Österreich kaum Arbeitsplätze schaffen, dafür aber reiche Gewinne abzweigen.

Ein Beispiel ist die burgenländische Waldquelle Kobersdorf, die im Herbst an die tschechische Karlovarské Minerálni Vody (KMV) ging. Nicht zufällig hatte bei diesem "Aqua-Deal" die ÖVP-nahe Raiffeisen-Landesbank ihre Finger im Spiel. Deren Rolle ist auch bei Investitionen in und dem Betrieb einer unweit der Donau gelegenen Biosprit-Produktionsanlage hinterfragenswert. Ebenso im Zusammenhang mit der angeblichen Nichtverfügbarkeit gentechnikfreier Futtermittel.

Während Abwirtschaften und Privatisierung von Post, Bahn (ÖBB) oder AUA über die medienöffentliche Bühne gehen, wird der Zugriff aufs Wasser klammheimlich vollzogen - um die zu erwartende Empörung der Österreicher, die ihre Wasserressourcen dem kollektiven Wesenskern zurechnen, gar nicht erst aufkommen zu lassen. Der gesetzliche Rahmen für die Handhabung des wertvollsten Naturschatzes erweist sich in vielen Bereichen als renovierungsbedürftig, wie nicht zuletzt der Prozeß des Landes Salzburg gegen einen Industriellen belegt. Dieser hatte mit einem Grundstück von den Bundesforsten gleich auch strategisch wertvolle Wasserreserven aufgekauft, wie geologische Gutachten bestätigen. Zwar verbietet das österreichische Bundesforstegesetz in Paragraph 1 Absatz 3a den Verkauf von Wasserressourcen, die Klage des Landes wurde in erster Instanz jedoch abgewiesen, da das Land "als Dritter" nicht zur Klage berechtigt gewesen sei.

Als möglicher Käufer wird das Land Salzburg gemeinsam mit Oberösterreich im Zusammenhang mit dem geplanten Mondsee-Verkauf genannt. Die private Eigentümerin will sich von dem in Familienbesitz befindlichen "Stück Heimat" trennen. Verkaufsgespräche mit den österreichischen Bundesforsten, die bereits über 100 Seen ihr eigen nennen, scheiterten. Angesichts spekulativer Interessenten aus dem arabischen und russischen Raum soll eine österreichische Lösung konstruiert werden. Diese ist vorerst aber nicht in Sicht. Daß bislang keinerlei relevante Informationen publik wurden, hat den Verdacht, das wertvolle Gewässer könne letztlich an Scheichs oder Oligarchen gehen, nicht geschmälert.

Auch die Tiroler Wasserkraft AG (Tiwag) hat mit öffentlichen Milliardenwerten Monopoly gespielt. Ihre Kraftwerke und ein Teil des Leitungsnetzes wurden unter der Ägide ÖVP-geführter Landesregierungen seit 2001 mittels riskanter Cross-Border-Leasing-Verträge an US-Investoren (JF 50/08) verkauft und "zurückgemietet". Das CBL-Geschäft habe zunächst 270 Millionen Euro an Steuervorteilen und Zinsersparnissen gebracht, erklärte der jetzige ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter. Doch die Weltfinanzkrise offenbart nun die düsteren Seiten des rein englischsprachigen und geheimen Vertragswerkes. "Wenn man dazumal den heutigen Wissenstand gehabt hätte, hätte man anders gehandelt", gestand Platter vor dem Innsbrucker Landtag ein. Die Tiwag prüfe einen Vertragsausstieg - doch der könnte für Tirol wesentlich teurer werden als die angeblich eingenommenen 270 Millionen Euro. Der alpine Wasserreichtum bleibt Ziel zahlreicher Begehrlichkeiten, die mit fortschreitender Wasserverknappung und vagabundierendem Spekulationskapital potentieller Krisengewinnler weiter zunehmen werden.

Die CBL-kritische "Tiroler Initiative Wir alle gemeinsam" im Internet: www.dietiwag.org

Tiroler Wasserkraft AG: www.tiwag.at

Foto: Alpenbach: Kraftwerke in Cross-Border-Leasing-Verträgen gefangen

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