© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/08-01/09 19./26. Dezember 2008

"Was hat das alles mit mir zu tun?"
Vergangenheitsbewältigung: Der Prozeß gegen den ehemaligen Gebirgsjäger Josef S. vor dem Münchner Landgericht fi ndet kein Ende
Hans-Joachim von Leesen

Als am 15. September das Münchner Landgericht den Prozeß gegen den ehemaligen Gebirgsjägerleutnant Josef S, eröffnete (JF 40/08), dem vorgeworfen wird, 1944 im Partisanenkampf für den Tod von 14 italienischen Zivilisten verantwortlich gewesen zu sein, sollte das Verfahren bis Ende November abgeschlossen werden. Inzwischen hat das Gericht Termine bis Ende Februar festgelegt.

Von den 22 geladenen Zeugen sind mittlerweile sechs gestorben, andere liegen verhandlungsunfähig in Pflegeheimen oder Krankenhäusern. Alle Zeugen haben größte Schwierigkeiten, sich nach über 60 Jahren noch an Einzelheiten zu erinnern, woraus bereits einige Journalisten den Schluß ziehen, daß hier eine Verschwörung im Gang sei. Eine "Verschwörung" hatte wohl auch die Staatsanwaltschaft vermutet, als sie im Vorfeld das Telefon des Angeklagten abhören ließ - wie sie jetzt im Prozeßverlauf zugeben mußte, ohne jeden Erfolg.

Bemerkenswert ist, daß das Gericht einen von der Staatsanwaltschaft benannten italienischen Sachverständigen akzeptiert hat, obgleich Zweifel an dessen militärischen und historischen Fachkenntnissen bestehen. Allerdings tritt der Mann seit langem als Sachverständiger in Prozessen gegen angebliche deutsche Kriegsverbrecher auf. Dabei zeichnet er sich, wie einer der Anwälte des Angeklagten sich ausdrückt, durch "eine tiefgreifende Voreingenommenheit gegen die Soldaten der Wehrmacht" aus und "vertritt historisch nicht haltbare Pauschalurteile". So habe er in einer Veröffentlichung behauptet, die deutsche Wehrmacht habe in Italien einen "Vernichtungskrieg" geführt.

Der Anwalt lehnte ihn daher wegen Befangenheit als Sachverständigen ab, vermutet aber, daß er damit beim Gericht keinen Erfolg haben werde. Dafür wurde der von der Verteidigung als Sachverständige benannte Militärhistoriker und Oberst der Bundeswehr a. D. Klaus Hammel vom Gericht nicht anerkannt und mußte auf dem Wege der Selbstladung mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers in den Prozeß eingeführt werden.

Offenbar weil das Gerichtsverfahren keine Belastungen des Angeklagten ergeben hat, begann in der Öffentlichkeit eine Kampagne sowohl gegen Hammel als auch gegen die Verteidigung. So wird behauptet, die Verteidiger seien in rechtsextreme Kreise verstrickt, etwa weil einer von ihnen Mitglied der Deutsch-Südafrikanischen Gesellschaft sei oder einer weithin unbekannten "Stillen Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte" nahestehe. Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte ein Foto, auf dem angeblich einer der Anwälte zu sehen sei, wie er den wegen Kriegsverbrechen verurteilten Anton Malloth verteidigt. Tatsächlich ist der Abgebildete aber nicht jener Anwalt.

Die Linkspartei stellt in der Person der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke unterdessen eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung, mit der sie den Militärhistoriker Hammel zu diskriminieren versucht. Sie fragt unter anderem, wie es die Regierung mit der Tatsache halte, daß der Bundeswehr-Oberst dem "Kompetenzteam" einer "militärhistorischen Geländebesprechung" angehöre, an der Soldaten einer Panzerdivision teilnahmen, obwohl Hammel dem Buch des Generalmajors a. D. Gerd Schultze-Rhonhof "1939: Der Krieg, der viele Väter hatte" ein "sorgfältiges Analysieren und tiefergehendes Nachdenken" bescheinigt habe und somit als "Wehrmachtsapologet" anzusehen sei.

In die gleiche Kerbe haut die Zeitung Neue Deutschland, die in einem großen Artikel den militärhistorischen Sachverständigen einen "stillen Helfer der NS Kriegsverbrecher" nennt. Sie kreidet ihm auch an, daß er einen Beitrag zu dem Band "Soldaten der Wehrmacht" geliefert hat, das als Antwort auf die Fälschungen der Reemtsma-Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" zahlreiche Richtigstellungen vornahm.

Man darf wohl annehmen, daß an diesem Feldzug die im Prozeß als Vertreterin von Angehörigen italienischer Opfer auftretende Anwältin Gabriele Heinecke nicht unbeteiligt ist. Seit langem hat sie in der linksextremen Szene einen Namen. Sie hat nicht nur den ehemaligen DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph verteidigt, sondern auch das linksextreme Untergrundblatt radikal, in dem unter anderem zu lesen war, wie man Brandsätze baut. Auch war sie beteiligt an einem bizarren "Verein für die unliterarische Verwendung der Literatur und außergewöhnliche Brecht-Vorhaben", der nichts anderes im Sinne hatte, als am Jahrestag der Kapitulation der Wehrmacht 2005 zwei Modelle sowjetischer Panzer vor dem Reichstag auffahren zu lassen, um damit angeblich rechte Demonstrationen zu verhindern. Deutschlandweit bekannt wurde sie, als sie nach dem Brand in einem Lübecker Asylbewerberhaus 1996, der zahlreiche Tote forderte, als Vertreterin der Nebenklage auftrat und nachweisen wollte, daß es sich um einen neonazistischen Anschlag gehandelt habe. Heftig bekämpfte sie das Ergebnis der Gerichtsverhandlungen, nach dem das Feuer von einem Libanesen gelegt wurde. Sie trieb das Verfahren über mehrere Instanzen, ohne ihr Ziel zu erreichen.

In München geht Heinecke ähnlich vor. So unterstellte sie den Verteidigern des Angeklagten, sie hätten Zeugen beeinflußt, und das, ohne daß sie dafür einen Anhaltspunkt gehabt hätte. Inquisitorisch befragte sie einen 85 Jahre alten Zeugen, der mittlerweile zum dritten Mal geladen ist.

Kopfschüttelnd verfolgt der inzwischen 90jährige Angeklagte die Verhandlung, die seines geschwächten Gesundheitszustandes wegen stets nach eineinhalb Stunden unterbrochen werden muß. "Was hat das alles mit mir zu tun?' fragte er in einer der Pausen.

Das Verfahren droht zu einer Polit-Posse zu entarten.

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