© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/08 05. Dezember 2008

Frisch gepresst

Universität Frankfurt. Zur Geschichte der 1914 in den Kreis deutscher Hochschulen getretenen "Stiftungsuniversität" Frankfurt liegt seit 1989 die monumentale, bis 1950 reichende Darstellung Notker Hammersteins vor. Damit schien der wissenschaftshistorische Bedarf lange gedeckt. Die Arbeit des Frankfurter Frühneuzeithistorikers, der mitunter allzu naiv-treuherzig nach "politischer" und "reiner" Wissenschaft klassifiziert, sich aber vom genreüblichen Hypermoralismus freihält, bleibt auch noch im jüngsten Unterfangen, einer von Jörn Kobes und Jan-Otmar Hesse edierten "Ergänzung", richtungsweisend (Frankfurter Wissenschaftler zwischen 1933 und 1945. Wallstein Verlag, Göttingen 2008, gebunden, 257 Seiten, Abbildungen, 29 Euro). Zumindest gilt dies für die vorsichtig abwägenden Studien Stefan Rupperts über den Staatsrechtler Friedrich Giese und Carsten Kretschmanns über die Historiker Paul Kirn und Walter Platzhoff, die in einer sehr angebrachten Warnung vor der "moralischen Selbstgewißheit mancher Nachgeborener" ausklingt. Davon nicht frei ist der Beitrag von Frank Estelmann und Olaf Müller über den Germanisten Franz Schultz und den Romanisten Erhard Lommatzsch. Hier wird rhetorisch ("Naziwahn") wieder kräftig in die Klischeekiste gelangt. Ausführliche Würdigungen erfahren die "kritische Rassenforschung" des Anthropologen Franz Weidenreich, der 1933 emigrierte, die Völkerkunde, die Orientalistik und - wiederum leider sehr "engagiert" - die Geschichte des Neurologischen Instituts.

Zwangsaussiedelung. Ihrer Menschenverachtung gaben die SED-Machthaber gar nicht erst ein verharmlosendes Synonym: "Aktion Ungeziefer". Damit begann 1952 eine über zwanzig Jahre andauernde Vertreibung aus den teilweise verschwundenen Grenz­orten zur Bundesrepublik, von der insgesamt über 14.000 Menschen betroffen waren. Bei diesen groß angelegten Zwangsumsiedelungen wurden die Betroffenen in der Regel völlig überrumpelt und mußten innerhalb weniger Stunden ihre Häuser und Höfe verlassen. Die Journalistin Karin Toben nimmt sich seit Jahren der Aufarbeitung dieses traumatischen Ereignisses in ihrer Wahlheimat im Amt Neuhaus an. Animiert von anrührenden Briefen der vertriebenen Elbmarschbewohner an ihren Heimatpastor ging sie deren Schicksalen bis heute nach (Heimatsehnen. Zwangsaussiedelungen an der Elbe zwischen 1952 und 1975. Ein Erinnerungsbuch. Verein für Bürgerbegegnung im Amt Neuhaus e.V., Neuhaus 2008, broschiert, 136 Seiten, Abbildungen, 12,50 Euro). Damit legt sie - unterstützt von der dieses Werk auch herausgebenden Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in Schwerin - eine wertvolle Studie über eine weitgehend vergessene DDR-Unrechtsgeschichte vor.

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