© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/08 05. Dezember 2008

Von einer Krise in die nächste
Parteien: In der NPD ist erneut ein Streit über die Zukunft von Parteichef Udo Voigt ausgebrochen / Verwicklung in Finanzaffäre?
Felix Krautkrämer

In der NPD kriselt es - wieder einmal, könnte man sagen. Denn wie so oft machte die Partei in den vergangenen Wochen weniger durch inhaltliche Beiträge denn durch interne Querelen auf sich aufmerksam. So scheint die Affäre um den Bundesschatzmeister Erwin Kemna, der über eine dreiviertel Million Euro veruntreut hatte, trotz Urteils des Landgerichts Münster noch längst nicht zu den Akten gelegt worden zu sein.

Die jüngsten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Münster sowie der Bundestagsverwaltung zum Finanzverhalten der NPD liefern neuen Zündstoff und treiben die Spaltung der Partei in unterschiedliche Lager weiter voran. Und auch die Unzufriedenheit an der Basis wächst, wie massive Parteiaustritte in Sachsen und Bayern zeigen. Vor allem Parteichef Udo Voigt gerät zunehmend unter Druck. Nach einem Bericht des Spiegels soll Voigt selbst in die Finanzaffäre um dubiose Darlehen verstrickt sein. Angeblich habe er unter anderem 2004 von einer NPD-Sympathisantin 25.000 Euro erhalten, ohne daß diese später in den Finanzbüchern der Partei auftauchten.

Auch wenn er die Vorwürfe als "Gerüchte aus der Giftküche der Systemmedien" abtat, mutete seine Ankündigung, auf einem vorgezogenen Sonderparteitag im Frühjahr nächsten Jahres erneut für das Amt des Vorsitzenden kandidieren zu wollen, wie der Versuch eines Befreiungsschlags an. Ursprünglich sollte der Parteivorstand erst im nächsten Herbst neugewählt werden. Offiziell heißt es, die Partei wolle sich angesichts der bevorstehenden drei Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen sowie der Bundestagswahl bestmöglich aufstellen und Streitigkeiten aus der Welt schaffen. In Wahrheit dürften aber die immer lauter werdenden Gerüchte um einen drohenden innerparteilichen Putsch Voigt in die Offensive gezwungen haben. Kritiker monieren, daß es dem NPD-Chef nicht gelingt, Ruhe in die Partei zu bringen und seinen Führungsanspruch durchzusetzen.

Generalsekretär Marx heizt die Debatte an

Vor für die NPD so wichtigen Landtagswahlen wie in Sachsen sei aber genau das von größter Bedeutung. In dem Freistaat begann 2004 mit dem Landtagseinzug der Aufstieg der Partei - und hier könnte er auch sein Ende finden, sollte der Wiedereinzug verpaßt werden. NPD-Generalsekretär Peter Marx, der im Tagsspiegel sagte, er rechne mit der Wahl eines neuen Vorsitzenden, und dabei den Namen des Fraktionsvorsitzenden im sächsischen Landtag und stellvertretenden Bundesvorsitzenden, Holger Apfel, fallenließ, heizte die Debatte um die Parteiführung nochmals an.

Voigt selbst soll sichtlich überrascht von dem Vorpreschen seines Generalsekretärs gewesen sein. In der Süddeutschen Zeitung platzte ihm dann der Kragen: Er sei gespannt, wie sich Marx die weitere Zusammenarbeit vorstelle. Für eine Entschärfung sorgte da auch nicht, daß Apfel in einem parteiinternen Schreiben versicherte, nicht auf dem kommenden Bundesparteitag gegen Voigt kandidieren zu wollen. Die Unterstellung sei völlig aus der Luft gegriffen. Apfel, der die Echtheit des Schreibens gegenüber der JUNGEN FREIHEIT bestätigte, sagte zudem, er werde erst zu gegebener Zeit entscheiden, ob er überhaupt noch einmal für den Parteivorstand kandidiere und wen er gegebenenfalls unterstützen werde. "Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich lediglich eine Unterstützung Jürgen Riegers ausschließen."

Rieger, der unter anderem wegen seiner bizarren Rassentheorien auch in der NPD umstritten ist, war erst auf dem Bundesparteitag im vergangenen Mai neben Apfel zu Voigts Stellvertreter gewählt worden. Der Hamburger Anwalt, der zahlreiche Rechtsextremisten verteidigt hat und 2001 das Verbot des Gedenkmarsches für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess in Wunsiedel vor Gericht kippen konnte, verkörpert wie kaum ein anderer den Einfluß radikalster Kräfte in der NPD. Warum Voigt Riegers Wahl zum Parteivize unterstützt hat, darüber hat es zahlreiche Spekulationen gegeben. Fest steht, daß Rieger nach seiner Wahl den Vorsitz der parteiinternen Untersuchungskommission zum Fall Kemna abgeben mußte. Von dem Ergebnis dieser Untersuchungskommission hängt nicht zuletzt Voigts politische Zukunft ab.

Marx jedenfalls machte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT aus seiner Abneigung gegen Parteichef Voigt kein Geheimnis: "Ich halte es für problematisch, wenn Herr Voigt nochmals kandidiert. Ich bin der Meinung, daß bei einer Neuwahl auch wirklich neu gewählt werden sollte. Die Partei braucht einen personellen Neuanfang, um nach vorne zu kommen." Sollte der Parteitag jedoch Voigt im Amt bestätigen, will Marx als Konsequenz nicht mehr für den Parteivorstand kandidieren. Er gehe jedoch nicht davon aus, daß dies eintreffe. Die Partei verfüge durchaus über Köpfe, die eine erfolgreiche Alternative zu Voigt darstellten.

Einer von ihnen dürfte der Fraktionschef in Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, sein. Schon mehrfach als Nachfolger Voigts gehandelt, bestätigte Pastörs gegenüber der JF frühere Positionen. Stehe die NPD auf der Kippe, wolle er sich zur Verfügung stellen. "Die Partei muß sich vom Kopf her erneuern. Es ist längst überfällig, daß Herr Voigt Verantwortung übernimmt." Seine Loyalität kenne Grenzen. Auch deswegen halte er sich eine Kandidatur offen. "Das hängt nicht zuletzt vom Ergebnis der Untersuchungskommission ab."

Der Kampf um die Führung der NPD bleibt somit weiter offen. Offen ist damit auch der Umgang der Partei mit Personen wie Jürgen Rieger. Vielleicht bleibt aber auch alles beim alten. Ähnliche Personaldiskussionen gab es bereits vor dem Parteitag im Mai. Einschneidende personelle Veränderungen hatte es dann aber - bis auf die Wahl Riegers - nicht gegeben.

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