© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/08 28. November 2008

"Uns geht es heute besser"
Interview I: Ein Gespräch mit dem Lebanese Forces-Politiker Eddy Abi Lamaa
Matthias Berg

Herr Abi Lamaa, wie ist es heute um die Christen im Libanon bestellt? Gab es irgendwelche Veränderungen seit dem Ende des Bürgerkrieges?

Abi Lamaa: Vor allem der Abzug der syrischen Armee im Jahr 2005 brachte für die Christen Erleichterungen mit sich, denn die syrische Präsenz beeinflußte die Verhältnisse hier erheblich, auch wenn dies nicht immer für jedermann sichtbar war. Das Verhältnis der Christen zu Syrien ist vor allem dadurch belastet, daß bis zum heutigen Tage ehemalige christliche Milizionäre in Syrien inhaftiert sind. Daher waren die libanesischen Christen sehr anti-syrisch eingestellt. Dies hatte wiederum zur Folge, daß die syrischen Besatzer in allem, was sie taten, die pro-syrischen Kräfte im Libanon - dies sind vor allem sunnitische und schiitische Muslime - stark bevorzugten, zu denen die Christen eben nicht gehörten. Aber die Christen wurden unter der syrischen Herrschaft nicht nur benachteiligt, sondern sogar verfolgt ...

Inwiefern?

Abi Lamaa: Es gab viele Formen der Verfolgung und Repression. Der prominenteste Fall dürfte Samir Geagea sein, der vom syrischen Marionettenregime wegen angeblicher Verbrechen während des Krieges zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Vielen anderen, weniger prominenten Christen erging es ähnlich, da sie sich stets anti-syrisch und für einen freien und souveränen Libanon einsetzten, was den syrischen Hegemonialinteressen widersprach. Viele libanesische Christen haben während dieser Zeit Libanon verlassen.

Nun haben die Syrer vor drei Jahren Ihr Land verlassen. Was hat sich seitdem für Sie verändert?

Abi Lamaa: Dies war ein großer Moment für mein Land! Die Situation verbesserte sich spürbar, so wurde beispielsweise Samir Geagea aus dem Gefängnis entlassen. Die neue Regierung, die aus anti-syrischen Kräften besteht, hat sehr viel für eine Verbesserung der Situation der Christen hier im Land getan. Uns geht es heute sogar noch besser als unmittelbar vor Ausbruch des Bürgerkrieges im Jahr 1975, als die PLO massiv Druck ausübte. Wir können heute sagen, daß die lange Zeit der Bedrängnis und der Unterdrückung wohl überstanden ist.

Sie selbst gehören den Lebanese Forces an. Welchen Anteil hatte Ihre Partei an der Verbesserung der Situation der Christen?

Abi Lamaa: Hierfür muß ich ein wenig ausholen. Als der Bürgerkrieg ausbrach, gab es die LF noch nicht, es existierten lediglich einige kleinere christliche Parteien. Der libanesische Staat brach in den Wirren des Krieges in sich zusammen, es gab so gut wie keine staatliche Ordnung mehr. Die palästinensische PLO versuchte zu jener Zeit, den libanesischen Staat zu "übernehmen", wie es bereits zuvor in Jordanien versuchte. Vor allem wir Christen waren ihre Angriffsziele, da wir die libanesische Ordnung verteidigen wollten. Also blieb uns nichts anderes übrig, als die Waffen selbst in die Hand zu nehmen, nachdem uns kein staatliches Gewaltmonopol mehr schützen konnte. In den Lebanese Forces vereinigten sich die vielen kleineren christlichen Milizen zu einer schlagkräftigen christlichen Armee. Der Maronit Bachir Gemayel organisierte damals die schnelle Mobilmachung der christlichen Verteidigungskräfte. Das Ziel der LF war immer, die staatliche Ordnung schnellstmöglichst wiederherzustellen und deren Feinde zu bekämpfen. Als der Krieg 1990 mit dem Abkommen von Taif zu Ende ging, gaben die LF ihre Waffen ab. Dieses Abkommen, welches von allen Bürgerkriegsparteien unterstützt wurde, regelte die Wiederherstellung des libanesischen Staatswesens. Dennoch verblieben die Syrer nach wie vor im Land und schafften es geschickt, weiterhin die verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Glaubensrichtungen gegeneinander auszuspielen und aufzuhetzen.

... um sich selbst dadurch eine stärkere Position zu verschaffen?

Abi Lamaa: Genau! Ein schwacher, gespaltener Libanon war im syrischen Hegemonialinteresse. Wie bereits gesagt, treten die LF für einen starken, freien und unabhängigen Libanon ein, daher wurden die Angehörigen der LF von den Syrern bekämpft und verfolgt. Die Gerichtstribunale, die zu jener Zeit gegen die LF-Angehörigen - ich erwähnte bereits Samir Geagea - abgehalten wurden, gleichen den stalinistischen Säuberungsprozessen. Heute sind die LF eine normale, libanesische Partei - allerdings mit einer wehrhaften Geschichte.

Die ehemaligen Kämpfer sind heute normale Zivilisten und Politiker?

Abi Lamaa: Natürlich. Wir waren das ja auch vorher. Wir haben nicht aus Kriegslüsternheit zu den Waffen gegriffen, sondern zur Selbstverteidigung. Der Krieg wurde uns aufgedrängt. Aber wir haben nicht nur die "alten Kämpfer" bei uns, sondern auch viele junge Menschen, die erst nach dem Ende des Bürgerkrieges geboren wurden. Meine gesamte Familie unterstützt die LF.

Sind Sie auch ein "alter Kämpfer"?

Abi Lamaa: (lacht) Ja, auch ich bin ein "alter Kämpfer"!

 

Eddy Abi Lamaa ist ein enger Berater des LF-Vorsitzenden Samir Geagea und gehört dem Führungsgremium seiner Partei an. Zu Zeiten des Bürgerkriegs war Abi Lamaa Angehöriger der LF-Miliz.

 

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