© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/08 28. November 2008

Düstere Aussichten
CDU: Der am Wochenende beginnende Bundesparteitag steht im Zeichen der sich rasant verschlechternden wirtschaftlichen Situation
Paul Rosen

Daß auf dem am Wochenende beginnenden CDU-Parteitag ein neuer Vorstand gewählt wird und Chefin Angela Merkel das Vertrauen ihrer Delegierten gewinnen muß, gerät zur Nebensache. Die Weltwirtschaftskrise hat auch den Parteitag erreicht. Unweit des Stuttgarter Parteitagsgeländes wohnen genügend Mercedes-Benz-Arbeiter, die bald in verlängerte Weihnachtsferien gehen müssen, weil sich neue Autos nicht mehr verkaufen lassen. Die bittere Realität der abstürzenden Industriegesellschaft wird das Delegiertentreffen umrahmen und die bei Veranstaltungen dieser Art üblichen triumphalen Einmärsche und Klatschorgien etwas gedämpfter ausfallen lassen. Nachdem das Bundespresseamt noch bis Mitte des Jahres die Mär vom wirtschaftlichen Aufschwung verbreitete, versucht es die Chefin jetzt ausnahmsweise mit der Wahrheit: In einem Interview redete sie davon, daß 2009 ein "Jahr schlechter Nachrichten" werden könne - jedenfalls in den ersten Monaten.

Wie tief die Konjunktur fällt, weiß man nicht. Die Bundesbank soll für 2009 einen Wachstumseinbruch von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts schätzen. Die Nachrichten aus der Wirtschaft erinnern an Horrormeldungen. Erst stürzten die Banken und dann die Autoindustrie, die die Zulieferer und sogar die Chemieindustrie mit runterzogen. Noch hofft der Handel auf ein gutes Weihnachtsgeschäft.

Vor diesem Hintergrund hat die große Koalition erst ein Bankenstützungsprogramm aufgelegt und danach Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung auf den Weg gebracht. Die wichtigsten Punkte sind eine Steuerbefreiung für Neuwagen und bessere Abschreibungsmöglichkeiten für die nächsten zwei Jahre. Wenn man andererseits sieht, daß die britische Regierung eine Senkung der Mehrwertsteuer überlegt, um den Konsum anzukurbeln, dann ist klar, daß das deutsche Programm mickrig ist.

Doch kurzfristige Steuersenkungen will die CDU nicht. Einfach wäre es, den Zuschlag zur Einkommensteuer (Solidarzuschlag) abzuschaffen. Das würde einen Konsumschub auslösen. Doch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla setzt auf Steuersenkungen frühestens Ende 2009, um einen Wahlkampfschlager für die Bundestagswahl im Herbst zu haben. Er denkt dabei auch nur an kleine Korrekturen an der Tarifkurve im unteren und mittleren Bereich, was besonders Arbeitnehmern zugute kommen soll, deren Lohnerhöhungen in den vergangenen Jahren mindestens zur Hälfte von der sogenannten kalten Progression gefressen wurden. Die Position, Steuern erst Ende 2009 zu senken, verteidigt Pofalla mit der ihm eigenen Halsstarrigkeit.

Der Generalsekretär begeht damit zwei Fehler zugleich: Der politische Fehler liegt darin, daß die Idee der CDU, mit Steuersenkungsankündigungen ins neue Jahr zu ziehen, die bayerische Schwesterpartei verärgert. CSU-Landtagsfraktionschef Georg Schmid meinte dazu: "So kann eine vertrauensvolle Politik nicht funktionieren." Die CDU hatte im bayerischen Wahlkampf alle Forderungen der CSU nach Steuersenkungen (zum Beispiel Pendlerpauschale) strikt zurückgewiesen. Auch CSU-Chef Horst Seehofer, der in Stuttgart ein Grußwort sprechen wird, zeigte sich verwundert. Seine Freude über die neuen Steuersenkungspläne der CDU halte sich in Grenzen.

Der zweite Fehler ist eine falsche Einschätzung der wirtschaftlichen Situation. Pofalla hält Bankenpleiten, Absatzkrise und Firmenzusammenbrüche offenbar nur für einen Herbststurm, dem nach einem vielleicht etwas längeren Winter der Frühling mit wärmendem Sonnenschein folgt. Er glaubt, daß die Konjunktur rechtzeitig zur Bundestagswahl wieder anspringt.

Pofallas Einschätzung, die der der Kanzlerin entspricht, dürfte sich als Irrtum erweisen. Die Krise ist härter, und der Druck auf die CDU, möglichst bald Maßnahmen zu beschließen, die die Konjunktur stützen, wird sehr bald steigen. Schon jetzt meutert der Wirtschaftsflügel der CDU gegen Pofallas Pläne. Mittelständler und CDU-Wirtschaftsrat sind allerdings zu schwach, um der Merkel-Truppe, die die Partei völlig unter Kontrolle hat, größere Zugeständnisse abzutrotzen.

Das bürgerliche Lager in Deutschland ist ganz anders strukturiert als in anderen europäischen Ländern. Ernsthafte bürgerliche Konkurrenz hat die CDU nicht zu befürchten. Die FDP hat alle Chancen im rechtsbürgerlichen Bereich nicht genutzt. Hessen hat gezeigt, daß die linken Parteien nicht nur dort ein Volksfrontbündnis errichten würden. Dagegen steht nur noch die CDU. Das erklärt ihre guten Umfrageergebnisse und wird das gute Wahlergebnis von Merkel erklären. In Sicherheit wiegen sollten sich die Strategen im Adenauer-Haus nicht: Die CDU wird nur so lange gewählt, wie es an Alternativen mangelt.

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