© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/08 21. November 2008

Frisch gepresst

Hans-Joachim Schoeps. "Letzter preußischer Jude" - so verstand sich der Ideenhistoriker Hans-Joachim Schoeps (1909-1980). Der frühreife Sohn aus assimiliertem jüdischen Großbürgertum war der Gründer des antizionistischen "Jugendbundes Deutscher Vortrupp, Gefolgschaft deutscher Juden", der sich auch nach 1933 von Preußen und Deutschland nicht trennen wollte und mit seinem Mannen bis 1935 als eine "Art jüdischer Naturschutzpark" geduldet wurde. Allein diese Vita bis zur Emigration 1938 muß ihn den heute so florierenden jüdischen Studien unbequem machen. Konservative Juden wie Schoeps können die nachholende Identitätsstiftung ("weltoffenes, liberales Judentum vor 1933") nur stören. Daß Schoeps aber "unbelehrbar" aus schwedischer Emigration zurückkehrte und als Erlanger Professor weiter "rechtskonservativer Deutscher jüdischen Bekenntnisses" bleiben wollte, bringt den Berliner Soziologen Richard Faber schier aus der Fassung. Entsprechend gerät ihm seine Arbeit über "Deutschbewußtes Judentum und jüdischbewußtes Deutschtum" (Der Historische und Politische Theologe Hans-Joachim Schoeps. Königshausen & Neumann, Würzburg 2008, broschiert, 186 Seiten, 28 Euro) als weiterer Baustein seiner "Wissenschafts- und Ideologiegeschichte, vor allem des Konservatismus sowie Prä-, Pro- und Postfaschismus" zum prosekutorischen Pamphlet. Dazu freilich steuerte, wie stets bei Fabers Zitat-Collagen, der Angeklagte drei Viertel des Textes selbst bei - unterbrochen nur von den nervigen Schulmeistereien des Soziologen, der Schoeps "lebenslange Sympathie für die 'Konservative Revolution'" vorhält und mit seinem ganzen Sermon über "gegenaufklärerisches Denken", autoritäre, "undemokratische" usw. usf. Dispositionen Rechtsintellektueller keinen einzigen neuen Gedanken zu bieten hat. Diese Schlafpille durfte Faber mit "finanzieller Unterstützung" der Deutschen Forschungsgemeinschaft drehen.

Massenpsychologie. Der französische Mediziner und Schriftsteller Gustave Le Bon (1841-1931) verfaßte eine Reihe von Reiseberichten und anthropologischen Studien. Berühmt wurde er jedoch durch sein soziologisches Schlüsselwerk "Psychologie der Massen" ("La Psychologie des foules", 1895). Er vertritt darin die Meinung, daß der Einzelne in der Masse seine Kritikfähigkeit verliere und sich affektiv, teilweise sogar primitiv-barbarisch verhalte. Das sei völlig unabhängig vom Zivilisationsgrad der Gesellschaft, wobei er insbesondere die Massenkultur in späteren totalitären Systemen beinahe prophetisch beschrieb. Jetzt hat der Stuttgarter Kröner Verlag sein Werk mit einer Einführung des 1994 verstorbenen Wiener Soziologen Peter Hofstätter in leserfreundlichem Großdruck herausgegeben (LIX und 194 Seiten, broschiert, 11,90 Euro).

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen