© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/08 21. November 2008

Letzte Ruhe nach einer langen Odyssee
Tschechei: Beisetzung der letzten deutschen Kriegstoten in Eger / Fertigstellung des Friedhofs bis 2010
Ekkehard Schultz

Über sechs Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist es endlich soweit: Auf dem städtischen Friedhof im nordwestböhmischen Eger (Cheb), unweit der deutschen Grenze, begann am vergangenen Mittwoch die Beisetzung der letzten deutschen Soldaten, die während der Kampfhandlungen im Frühjahr 1945 auf dem Territorium der heutigen Tschechischen Republik ihr Leben lassen mußten. Auf einer bislang ungenutzten Fläche in unmittelbarer Nachbarschaft zu den zivilen Gräbern werden nun in den kommenden Wochen über 5.500 Tote ihre letzte Ruhestätte finden.

Die rechtliche Grundlage für diesen Schritt wurde am 26. Mai dieses Jahres gelegt. Der Präsident des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge, Reinhard Führer, und der heutige Bürgermeister der Stadt Eger, Jan Svoboda, unterzeichneten an diesem Tag eine Vereinbarung über die Errichtung einer deutschen Kriegsgräberstätte. Die Gesamtkosten der Anlage werden bei etwa 1,6 Millionen Euro liegen, die komplett von der deutschen Seite getragen werden.

Anfangs große Widerstände in der Bevölkerung

Bis zur Unterzeichnung des jetzigen Vertrages war über viele Jahre zwischen dem Volksbund und mehreren Gemeinden des unmittelbar an Bayern und Sachsen grenzenden Egerland (Karlovarský kraj) ergebnislos verhandelt worden. Bereits 1991 - kurz nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft in Böhmen und Mähren - waren im Einvernehmen mit der Regierung in Prag erste Gespräche aufgenommen worden. Doch bestanden große Widerstände in der Bevölkerung gegen die Errichtung einer solchen Erinnerungsstätte für deutsche Soldaten, die sich in zahlreichen öffentlichen Debatten niederschlugen. Dies trug dazu bei, daß der damalige Bürgermeister der Stadt Eger von einer bereits gemeinsam ausgearbeiteten Vereinbarung wieder Abstand nahm.

Doch auch heute stellt die Beisetzung der deutschen Soldaten an diesem Ort keineswegs eine Selbstverständlichkeit dar. So bekannte an Rande einer kleinen Gedenkveranstaltung am vergangenen Mittwoch Bürgermeister Svoboda, daß die nunmehrige Entscheidung, einen Teil des städtischen Friedhofareals für die deutschen Gefallenen des Zweiten Weltkrieges zur Verfügung zu stellen, von einer größeren Zahl seiner tschechischen Landsleute in der Stadt und der Region immer noch sehr unterschiedlich betrachtet werde. Obwohl die Maßnahme zweifellos richtig sei und einen "weiteren Schritt für die Versöhnung der Überlebenden und Nachgeborenen" darstelle, empfänden "manche Leute dabei große Schmerzen", so der Kommunalpolitiker, der der rechtsliberalen Regierungspartei ODS von Präsident Václav Klaus angehört.

Auch Volksbund-Präsident Führer beteuerte in seiner Ansprache, ihm sei gut bekannt, "daß es immer noch Menschen gibt, die mit der Anlage des deutschen Soldatenfriedhofes in Eger nicht einverstanden" seien. Er hoffe aber, daß diese Stätte in naher Zukunft ebenso von der Mehrzahl der heutigen Einwohner angenommen und akzeptiert werde wie das unmittelbare Nebeneinander der zivilen Gräber von Deutschen und Tschechen. "Es war ein schwieriger Weg. Doch heute können wir offen über die Geschichte sprechen und gemeinsam über die Zukunft nachdenken", so Führer.

Der deutsche Botschafter in Prag, Helmut Elfenkämper, erinnerte in einem kurzen historischen Rückblick daran, daß überwiegend sehr junge Männer "in der Endphase eines völlig sinnlosen Kampfes" in diesem Teil Böhmens ihr Leben lassen mußten. Das "Elend, welches die NS-Herrschaft über das tschechische Volk gebracht" habe, habe im Rahmen des Krieges sowie der Ereignisse der Nachkriegszeit "auf die Gesamtheit der Deutschen zurückgeschlagen - auf Schuldige wie auf viele Unschuldige", meinte Elfenkämper. Die Toten wurden zum größten Teil anonym verscharrt, eine persönliche Erinnerung von Angehörigen war damit unmöglich. "Ich bin dankbar, daß die Toten, die noch Jahre nach ihrem Tod auf einer Odyssee waren, nun hier in Cheb endlich ihre letzte Ruhe erhalten werden."

Da über 1.300 Tote eindeutig identifiziert wurden, ist für deren Angehörige nun eine mit einem bestimmten Ort verbundene persönliche Trauer möglich. Zudem sind noch etwa tausend Namen von Toten bekannt, bei denen diese Zuordnung zwar nicht möglich war, die sich jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit unter den bislang Unbekannten befinden.

Um die Orientierung auf der Anlage zu erleichtern, soll für jeweils acht Beigesetzte ein kleines Granitkreuz errichtet werden. Zudem ist die Aufstellung eines Hochkreuzes mit einer entsprechenden Inschrift vorgesehen.

Als Vorbild bei der Gestaltung der Anlagen dienen die Kriegsgräberstätten, die bereits zu Beginn der neunziger Jahre in dem nordöstlich von Eger gelegenen Karlsbad und dem südöstlich gelegenen Marienbad errichtet wurden. Weitere Friedhöfe für deutsche Soldaten des Zweiten Weltkrieges auf dem heutigen tschechischen Territorium befinden sich in Pilsen (Plzeň), Brünn (Brno), Rakonitz (Rakovník), Patzau (Pacov), Iglau (Jihlava), Olmütz (Olomouc), Walachisch Meseritz (Valašské Meziříčí) sowie im sudetenschlesischen Troppau (Opava). Die Zahl aller dort seit 1991 Beigesetzten bemißt sich auf über 18.000.

Im kommenden Jahr beginnt dann der Ausbau der neuen Kriegsgräberstätte in Eger, die 2010 offiziell eingeweiht werden soll. Danach wird sie in die Patenschaft des Freistaates Bayern gehen. Dann soll der Friedhof auch als Begegnungs- und Lernort zwischen deutschen und tschechischen Jugendlichen genutzt werden, um eine langfristige Versöhnung zwischen den nachgewachsenen Generationen zu erleichtern. Mit der Errichtung der Anlage in Eger wird der Volksbund seine Aktivitäten in der Tschechei zur Neuanlage solcher Stätten abschließen. Grundsätzlich ist die Arbeit damit allerdings noch nicht beendet: So sind die Bemühungen um ein reguläres Kriegsgräberabkommen zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik bis heute noch nicht zum Abschluß gekommen.

Foto: Beisetzung der ersten 450 Särge in Eger: "Heute können wir offen über die Geschichte sprechen", Geplantes Aussehen des Soldatenfriedhofes in Eger: Ein weiterer Schritt zur Versöhnung

Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Werner-Hilpert-Straße, 34112 Kassel, Telefon: 05 61 / 70 09-0, Internet: www.volksbund.de, Spendenkonto: 4300 603 / BLZ 500 100 60 bei der Postbank Frankfurt/Main, Die Stadt Eger: www.mestocheb.cz

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