© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/08 31. Oktober 2008

"Ich bin nicht wehleidig"
Affäre: Fünf Jahre nach dem Streit um seine Rede blickt Martin Hohmann gelassen zurück
Marcus Schmidt

Man muß verzeihen können", sagt Martin Hohmann. Fünf Jahre, nachdem der damalige CDU-Bundestagsabgeordnete wegen seiner angeblich antisemitischen Rede zum Tag der Deutschen Einheit zunächst aus der CDU/CSU-Fraktion und schließlich aus der Partei ausgeschlossen wurde, gibt sich der bekennende Christ versöhnlich.

Seither habe er viel gelesen, nachgedacht und sich regelmäßig um seine jetzt drei Jahre alte Enkelin gekümmert. "Eine wunderbare Erfahrung, die ich nicht gemacht hätte, wenn ich noch im Bundestag sitzen würde", sagt Hohmann, der 2005 als partei- und fraktionsloser Abgeordneter aus dem Parlament ausschied. Politik, so hat Martin Hohmann für sich erkannt, ist nicht alles im Leben. Obwohl ihm Ruf, Status und Einkommen genommen worden seien, wolle er nicht klagen.

Daß er so gelassen auf den Herbst 2003 zurückschauen kann, ist bemerkenswert, wenn man sich vergegenwärtigt, mit welcher Wucht er in der Öffentlichkeit für seine Rede angegriffen wurde. Von Antisemitismus war die Rede und davon, daß Hohmann ein "Wiederholungstäter" sei. Er selbst vergleicht die Medienkampagne gegen ihn mit einer Feuerwand, die alles weggebrannt habe. "Da wurde nicht mehr diskutiert, sondern exekutiert", beschreibt er seine Erfahrung. "Es reihen sich - von bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen - alle ein, keiner wagt auszuscheren."

Falschbehauptung in den Tagesthemen

Ihren eigentlichen Anfang nahm die Kampagne Ende Oktober, obwohl Hohmann seine Rede im heimatlichen Neuhof bei Fulda bereits am 3. Oktober gehalten hatte. Darin hatte er mit Blick auf die Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus die These von der Kollektivschuld der Deutschen zurückgewiesen. Als Vergleich zog Hohmann den hohen Anteil der Juden während der russischen Oktoberrevolution heran. Hieraus, so folgerte er, könne man auch nicht den Schluß ziehen, die Juden seien ein Tätervolk.

Der Anfang vom Ende für Hohmanns Karriere wurde am 30. Oktober 2003 mit einem Bericht in den ARD-Tagesthemen eingeläutet. Darin wurde der Eindruck erweckt, Hohmann habe die Juden als Tätervolk bezeichnet. Eine Falschbehauptung, wie Hohmann später vor Gericht feststellen ließ. Doch zunächst verzichtete er auf juristische Schritte, in der Annahme, der "Irrtum" müsse sich aufklären. "Das war eine naive Auffassung", gibt Hohmann zu. Heute wisse er, daß ein solcher Satz zum Selbstläufer wird, wenn er erst einmal in der Welt ist. Ob er der Wahrheit entspreche oder nicht, spiele dabei keine Rolle. Als ihm dies klargeworden ist, war es bereits zu spät. "Wenn ich geahnt hätte, wie sich die Sache entwickelt, hätte ich eine einstweilige Verfügung gegen die ARD angestrebt", bekennt Hohmann selbstkritisch.

Doch wer heute mit Martin Hohmann spricht, hat nicht den Eindruck, daß die einschneidenden Ereignisse vor fünf Jahren, die immerhin seine Karriere als Politiker abrupt beendeten, sein Leben bis heute bestimmen. Die Wunden, die die mediale "Hinrichtung" geschlagen hatte, sind verheilt, und die Narben, die zurückgeblieben sind, schmerzen nur gelegentlich. "Ich bin nicht wehleidig", sagt Hohmann, der heute von den Altersbezügen aus seiner Zeit als Bürgermeister von Neuhof lebt.

Zumal er auch quer durch die Bevölkerung viel Unterstützung erfahren habe. Der mittlerweile verstorbene frühere ZDF-Chefredakteur Fritz Schenk etwa rief die Initiative "Kritische Solidarität" ins Leben, die sich zum Ziel gesetzt hatte, Hohmann zu unterstützen und eine sachliche Diskussion zu ermöglichen. Doch auch von vielen "Durchschnittsmenschen" habe er Unterstützung erfahren: "Das hat mich abgefedert und mir gezeigt, daß ich nicht alleine war", sagt Hohmann.

Mittlerweile ist die juristische Aufarbeitung der Affäre abgeschlossen. In mehreren Fällen ging Hohmann erfolgreich gegen Medien vor, die die Falschbehauptung verbreitet hatten, er habe die Juden als "Tätervolk" bezeichnet. Anders im Fall des Parteiausschlusses: Im Sommer entschied das Bundesverfassungsgericht, die Verfassungsbeschwerde Hohmanns gegen seinen Ausschluß aus der CDU nicht zur Entscheidung zuzulassen.

Kritik an der Politik der CDU

Hohmann wollte vor allem wissen, ob eine Partei tatsächlich das Recht zum Parteiausschluß gegenüber einem direkt gewählten Abgeordneten hat, wenn dieser historisch gesicherte Fakten referiert und in einen Vergleich einbezieht. Außerdem ging es darum, sich gegen eine unzulässige Doppelbestrafung zu wehren. Er sei aus der Partei ausgeschlossen worden, obwohl er zuvor bereits von der Parteiführung öffentlich gerügt worden sei.

Inhaltlich blickt er längst distanziert auf seine ehemalige Partei. Mit den Leitlinien der CDU und der Politik, die sie derzeit vertritt, stimme er "über weite Strecken" nicht mehr überein. Dies gelte vor allem für die "katastrophale" Familienpolitik, die immer mehr auf staatliche Erziehung setze. "Heute würde ich nicht mehr in die CDU eintreten", resümiert Hohmann. Er wolle zwar nicht ausschließen, sich wieder politisch zu engagieren, derzeit sehe er hierfür aber keinen Ansatzpunkt.

Würde er die Rede heute so noch einmal halten? Auch wenn es gerade bei Freunden in der Unions-Fraktion während der Diskussion um seine Person und der folgenden Abstimmung über seinen Ausschluß "Zerreißproben" gegeben habe, glaube Hohmann weiterhin daran, daß eine positive Sicht auf die eigene Geschichte unabdingbar für die sichere Zukunft Deutschlands sei. Hierzu habe er mit seiner Rede einen Beitrag leisten wollen, als Christ und Patriot.

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