© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/08 24. Oktober 2008

Landeshauptmann der Herzen
Österreich: 25.000 Trauernde kamen nach Klagenfurt und erwiesen Jörg Haider mit einer glanzvollen Prozession die letzte Ehre
Hinrich Rohbohm

Kärnten trauert, ist auf einer digitalen Anzeige vor dem Regierungssitz des Landes zu lesen. Es ist nicht übertrieben. Nahezu jeder, der die Trauerzeremonie für Jörg Haider vorigen Samstag in Klagenfurt miterlebt hat, zeigte sich tief beeindruckt über das Ausmaß der Verehrung für den Politiker, der als Landeshauptmann die Geschicke seiner Heimatregion lenkte und dominierte wie kaum einer vor ihm.

"Er war der beste Politiker Österreichs", hört man die Klagenfurter immer wieder sagen. In den Straßen. In den Läden, den zahlreichen Cafés in der Stadt, wo die Menschen noch Stunden nach der Prozession diskutierten. Andere sind fassungslos, starr vor Schreck über den so plötzlichen und tragischen Tod des 58jährigen, der mit seinem Dienstwagen in der Nacht zum 11. Oktober auf der Loiblpaß-Straße in Höhe der Gemeinde Köttmannsdorf tödlich verunglückt war.

Viele hatten ihn persönlich gekannt. Haider galt in Kärnten als volksnah. Hier war er nicht der rechte Bösewicht, nicht der häßliche Nazi, zu dem er in Deutschland immer wieder abgestempelt wurde. Im Gegenteil: "Der Haider hat sich für uns Ausländer eingesetzt wie kein anderer", lautet die verblüffende Aussage eines Kosovo-Albaners.

Gewiß, wer kriminell war oder das Asylrecht mißbrauchte, der habe beim Kärntner Landeshauptmann äußerst schlechte Karten gehabt. "Aber für uns Flüchtlinge hat er viel getan." Natürlich kennt auch er ihn persönlich. Er habe mal für ihn als Dolmetscher gearbeitet, erzählt der Kosovo-Albaner und holt als Beweis stolz seinen einstigen Referentenausweis hervor. "Der hatte ein Herz für die Schwachen", meint ein Gastwirt, der frei zugibt, nicht immer Haiders Meinung zu teilen. "Aber als Politiker war der einfach einmalig."

In nahezu allen Klagenfurter Geschäften sind Trauerbilder des populären Politikers in den Schaufenstern aufgestellt. Vor dem Landesregierungssitz, dem Landhaushof und der BZÖ-Geschäftsstelle entsteht im Verlauf des Tages ein regelrechtes Lichtermeer aus roten Kerzen zu Ehren Haiders. 25.000 Menschen waren in die Stadt gekommen, um den Trauerfeierlichkeiten beiwohnen zu können. Leute, die in Trachten kamen. In historischen und mit Orden geschmückten Uniformen. Musikkorps, Männer- und Kinderchöre, Feuerwehren, Schützenvereine und Verbindungsstudenten.

Rechtzeitig zum Einmarsch des Trauerzuges auf den Neuen Platz verflüchtigen sich auch die dunklen Wolkenschleier, die noch am Morgen wie Trauerschwaden über der Stadt lagen. Die Sonne ist wieder am Firmament, von dem sie noch vor einer Woche heruntergefallen war, wie es der amtierende Landeshauptmann und einstige Haider-Stellvertreter Gerhard Dörfler in seiner Trauer formuliert hatte. Aus der Menge der Zuschauer steigen schwarz-weiße Luftballons in den blauen Himmel auf. Zahlreiche politische Prominenz aus dem In- und Ausland ist gekommen, um dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Etwa Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), der in seiner Trauerrede dem Landeshauptmann Respekt und Anerkennung zollt. Haider sei ein Mensch gewesen, der "außergewöhnlich" und imstande war, Menschen zu begeistern.

Neben dem österreichischen Regierungschef sind auch Bundespräsident Heinz Fischer und der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Herbert Sausgruber, anwesend. Sausgruber hebt in seiner Rede hervor, daß Haider die "Kraft zum gemeinsamen Handeln" in den Vordergrund gestellt habe. "Wir trauern um den Landeshauptmann der Herzen", bringt Klagenfurts Bürgermeister Harald Scheucher die Welle der Sympathie auf den Punkt.

Auch aus dem Ausland sind Politiker gekommen. Unter anderem der EU-Abgeordnete Mario Borghezio von der italienischen Lega Nord, die Präsidenten der Regionen Friaul-Julisch Venetien und Venetien, Renzo Tondo und Giancarlo Galan, sowie der Vizechef der Republikaner Johann Gärtner. Besondere Aufmerksamkeit bei den Medien erregt der Besuch eines Mannes: Said al Gaddafi, Sohn des libyschen Staatschefs Muammar al Gaddafi, der ein Freund Haiders gewesen ist.

Sohn Muammar al Gaddafis unter den Trauergästen

Als die Trauerreden gehalten sind, wird es plötzlich still. Totenstill. Zu Ehren des Verstorbenen erklingt die österreichische Nationalhymne. Burschenschafter ziehen als Zeichen der Ehrerbietung ihren Schläger, recken ihn in die Höhe. Kurz bevor der Leichnam vom Neuen Platz zum Dom getragen wird, schlägt die Uhr zwölf. Die Sirenen heulen. Ein Vorgang, der nicht zur Zeremonie gehört, dessen Zeitpunkt aber dennoch kaum passender hätte sein können. Ein Hund jault auf. Es klingt, als würde auch er Abschied nehmen von dem Landeshauptmann. Als der Sarg mit dem Leichnam nach dem Heiligen Requiem von Bergführern aus Heiligenblut aus dem Dom getragen wird, werden Salutschüsse zu Ehren des Verstorbenen abgefeuert.

Unterdessen sind die im Vorfeld befürchteten Demonstrationen von Rechts- und Linksextremisten ausgeblieben. Schon in den frühen Morgenstunden hatte die mit einem äußerst starken Aufgebot präsente österreichische Polizei die komplette Klagenfurter Innenstadt für den Verkehr abgeriegelt.

Fotos: Ehrenformation des österreichischen Bundesheeres vor dem Sarg von Jörg Haider: Tief beeindruckende Momente während der Trauerfeier auf dem Neuen Platz in der Klagenfurter Innenstadt; Impressionen einer großen Trauerfeier: Kondukt, Kerzenlicht und Kondolenz für den Kärntner Regierungschef; Wolfgang Schüssel (M.): Der Altkanzler nimmt Abschied von seinem Weggefährten, mit dem er 2000 die ÖVP/FPÖ-Koalition aushandelte; SPÖ-Kanzler Gusenbauer: Versöhnliche Worte für Jörg Haider

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