© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/08 17. Oktober 2008

Frisch gepresst

Wirtschaftskrise. Was verbindet Neokonservative, vermeintliche Neoliberale, New Labour, Neue Mitte und gewendete Ex-Kommunisten? Sie glaubten bis vor kurzem, daß zumindest im Westen die Zeit harter Arbeit vorbei sei und die Zukunft den modernen (Finanz-)Dienstleistungen gehört. Einzig der belächelte Rest mit der Vorsilbe "Alt-" warnte seit Jahren vergeblich vor dem großen Crash. In der deutschsprachigen Publizistik kamen die Warner in der Regel nur noch in rechten oder linken Nischenblättern zu Wort. Eine rühmliche Ausnahme war und ist der Financial Times Deutschland-Kolumnist Lucas Zeise. In seinem Buch "Ende der Party: Die Explosion im Finanzsektor und ihre globalen Folgen" (Papyrossa Verlag, Köln 2008, broschiert, 196 Seiten, 14,90 Euro) analysiert der 64jährige Volkswirt aus keynesianischer Sicht die Ursachen der Weltfinanzkrise: "Um den Boom im Finanzsektor zu verstehen, lohnt sich ein genauerer Blick auf das, was Private-Equity-Fonds tun", schreibt Zeise. "Daß Franz Müntefering diese Sorte Finanzinvestoren mit 'Heuschreckenschwärmen' verglichen hat, die über Unternehmen herfallen, sie abgrasen und dann weiterziehen, war vermutlich eine der wenigen klugen und gleichzeitig kritischen Feststellungen, wofür man diesen Vorsitzenden der SPD in Erinnerung behalten wird." Zeises Lösungsansatz, eine effektive öffentliche Aufsicht und Kontrolle des Finanzmarktes, wird inzwischen sogar in Unionskreisen ernsthaft diskutiert.

Privatwährung. "In Amerika sind Häuslebauer und Investmentbanken zu Spielern geworden", erklärte Hans-Werner Sinn zur Ursache der Weltfinanzkrise in der FAZ. Die viel entscheidendere Frage, woher die Kreditdollars eigentlich kamen, welche die US-Immobilienblase aufgepumpt haben, wurde dem omnipräsenten Münchner Ifo-Chef nicht gestellt. Eine Antwort versucht die US-Juristin Ellen Hodgson Brown in ihrem Buch "Der Dollar-Crash - Was Banker Ihnen nicht erzählen" (Kopp Verlag, Rottenburg 2008, gebunden, 640 Seiten, 24,95 Euro) zu geben. "Der Bankensektor gehört nicht in Staatshand", postuliert Sinn. Brown erläutert anschaulich, daß dies auch nach Gründung des Federal Reserve System 1913 in den USA weiter der Fall war. Die US-Notenbank gehöre zu einem Großteil Privatbanken. Nur das Direktorium werde formell vom US-Präsidenten ernannt. Die Dollarflut komme daher nicht vom Staat, sondern sie werde von einem privaten Bankkartell geschöpft und ausgeliehen. Aber "anders als in den 1920er Jahren sitzt das ganze Finanzsystem heute in bedenklicher Weise auf 681 Billionen Dollar an Derivat-Dominosteinen, die alle fallen, sobald die Spieler versuchen, ihr Geld einzukassieren", warnt Brown und wird nun von den aktuellen Entwicklungen bestätigt.

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