© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/08 17. Oktober 2008

Opfer der Medien
Vergangenheitspolitik: Ehemaliger Soldat erschießt sich
Felix Krautkrämer

Während in München ein ehemaliger Leutnant der Wehrmacht wegen des Verdachts der Beteiligung an einem Massaker in Italien im Jahr 1944 vor Gericht steht (siehe die Meldung auf dieser Seite), hat sich im hessischen Langen ein 85 Jahre alter früherer Soldat das Leben genommen. Er war beschuldigt worden, ebenfalls 1944 an einem Massaker im italienischen Bassano del Grappa beteiligt gewesen zu sein. Wie die Staatsanwaltschaft Darmstadt gegenüber der JUNGEN FREIHEIT bestätigt, erschoß sich der ehemalige deutsche Soldat Karl Tausch Ende September. In einem Abschiedsbrief soll er als Grund für seinen Selbstmord unter anderem eine Hetzjagd der italienischen Presse angegeben haben.

Die Frankfurter Rundschau hatte in einem Artikel vor Tauschs Tod berichtete, italienische Fotografen hätten dem Mann vor seinem Wohnhaus aufgelauert und sein Foto anschließend mit der Überschrift "Hier ist der Henker von Bassano" veröffentlicht. Am 26. September 1944 sollen in dem nord­italienischen Ort 31 Jugendliche als Sühnemaßnahme für Partisanenüberfälle auf deutsche Soldaten hingerichtet worden sein. Tausch bestritt eine Beteiligung an der Aktion. Nachdem die Frankfurter Rundschau über die Vorwürfe gegen ihn berichtet hatten, sei es laut dem Abschiedsbrief des Mannes zu Anfeindungen aus der Bevölkerung gekommen. Tausch selber hatte die Staatsanwaltschaft um Ermittlungen in dem Fall gebeten, um seine Unschuld zu beweisen. Bei der Behörde sei man bislang nicht von einer Beteiligung Tauschs ausgegangen. Allerdings habe die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen noch nicht begonnen, da eine angeforderte Akte von der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg noch nicht eingetroffen sei.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte, er gehe nicht davon aus, daß nach dem Tod Tauschs noch ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werde. Schließlich gebe es keinen Beschuldigten mehr.

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