© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/08 17. Oktober 2008

Michael Klonovsky. Der eigenwillige Journalist und Autor gilt als nonkonformer Geheimtip
Zurück in die Zukunft
Thorsten Hinz

Für Michael Klonovsky - Journalist, Aphoristiker und Schriftsteller - ist das Opernerlebnis ein Übertritt in Gefilde oberhalb der Normalität. Denn hier sind Treue und Ehre noch ultimativ. Das moderne "Ich" wird mit Figuren konfrontiert, an denen es lernen kann, wie hoch der Mensch einst von sich und seinen Leidenschaften dachte - bevor er Konsument wurde. Klonovskys Opernleidenschaft ist eine produktive Form innerer Hygiene. Denn als Chef vom Dienst beim Münchner Wochenmagazin Focus verdient er seinen Lebensunterhalt als "Müllsortierer": Er sichtet, gewichtet und bereitet die Absonderungen der Claudias, Dollys, Heidis und Kurtchens auf, ohne die geringste Aussicht, daß die Abnehmer dieser Absurditäten sie als solche identifizieren und daran zu mündigen Bürgern reifen.

Klonovsky, 1962 im erzgebirgischen Schlema geboren und aufgewachsen in Ost-Berlin, ist Vater dreier Kinder und heute in zweiter Ehe mit einer Pianistin aus Israel verheiratet. Bis 1989 arbeitete er zunächst als Maurer, Sportplatzwart, Gabelstaplerfahrer, Korrekturleser: Stationen einer Biographie, wie sie unangepaßten und deshalb eines Studienplatzes unwürdigen Leuten in der DDR zukam. Nur wenigen seiner Artgenossen war nach 1990 ein ehrenvoller Übergang in eine bürgerliche Existenz vergönnt. (Einige sitzen auf den Hinterbänken der Politik und holen in neuer Intonation das alte Lied nach: "Die Partei hat immer recht!")

Klonovsky schaffte 1990 den Sprung in den politischen Journalismus und zugleich das Kunststück, unabhängig zu bleiben. In seinem furiosen Roman "Land der Wunder" schilderte er 2005 seine Erfahrungen im Pressewesen der Nachwende-Zeit und wie sie in ihm die Überzeugung reifen ließen, daß die DDR keine Vergangenheit, sondern die Zukunft der vergrößerten Bundesrepublik darstellt (siehe auch Interview in JF 21/08).

Geschult ist er am Kulturkritiker Nicolás Gómez Dávila, von dem er 2007 bei Reclam eine Aphorismus-Sammlung herausgab. Unter dem Titel "Jede Seite ist die falsche" ist 2008 ein Band mit eigenen Aphorismen erschienen (siehe Rezension Seite 21). Ein anständiger Mensch habe an konformistischen Veranstaltungen wie dem "Aufstand der Anständigen" nicht teilzunehmen, schlußfolgert er aus DDR- und NS-Zeit und weiß doch genau, daß nichts so verläßlich ist wie die Courage der Feiglinge.

Seine eben erschienene Puccini-Biographie "Der Schmerz der Schönheit" (Berlin-Verlag) muß die Stalinisten genauso verärgern wie die überwiegend schwule Anhängerschaft der Maria Callas. Letzteren wird die Behauptung mißfallen, ihre verehrte Überfrau sei in der Titelrolle der "Tosca" gänzlich unerotisch gewesen, ersteren die Kritik, das moderne Operntheater habe den Menschenschinder Scarpia nur mit rechten Diktaturen, aber niemals mit Stalins perversem Geheimdienstchef Lawrenti Berija in Verbindung gebracht. Die Fronten, an denen ein Freigeist heute steht, sind verquerer denn je.

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